Sonntag, 27. November 2011

sto kalo na pas - geh ins gute!






auf dem weg nach chora


der regen ist längst einem blanken himmel gewichen und man erfreut sich des täglichen sonnenscheins und einer teilweise prächtig blühenden natur. der jasmin zum beispiel: eine blüte duftet wie zehn! was für ein überfluss, was für eine herrlichkeit! allerdings, für jene, die nun ein klein bisschen wehmut im herzen verspüren sei hierbei erwähnt: an geschützter stelle geniesst man tatsächlich gern die so wunderbare sonnenwärme. glücklich ist, wer einen solchen platz zu finden vermag. der eisige nordwind scheint plötzlich von allen seiten zu kommen, sobald man sich niederlässt... ganz zu schweigen von seinen böenartigen überfällen... selbst die wassertemperaturen erscheinen in diesem wind kälter, als dass sie tatsächlich sind. immerhin, für die nächte ist gesorgt: der pet-flasche sei dank, hat man, wo immer auf der welt eine oder mehrere heisse bettflaschen schnell zur hand (habe ich von einer freundin gelernt) - aber auf meinen 600-gramm-bis-null-grad-schlafsack würde ich trotz alledem nicht gern verzichten - zusätzlich der 3-lagigen duvet-und-wolldecken-schicht. ich fühle mich getröstet von den einheimischen zu hören: für die jahreszeit viel zu kalt... und warum ich ausgerechnet diesen winter hier verbringen wollte, bleibt vorerst ein rätsel.






novemberblätter am strand



nun, in griechenland erweist man den älteren menschen respekt, indem man sie siezt. sie jedoch duzen einem, auch wenn man selbst, wie ich, schon älter ist. mir macht das nichts aus. im gegenteil. das gibt mir ein gefühl davon, reich an grossväterchens und grossmütterchens zu sein. und das ist wunderbar! grossmutter in der griechischen sprache heisst "jaja".

kürzlich traf ich eine von ihnen. ich suchte meinen weg von grikos zurück nach skala, da kam sie mir entgegen; mollig, mit kopftuch und offenem herzen. „krionis – frierst du?!“ fragte sie lachend nachdem wir uns begrüsst hatten. „ach, dieser wind, kalt ist er! aber jetzt beim aufstieg wird mir sicher warm.“ „was denkst du, es ist winter! - letztes jahr war er milder, dieses jahr ist er kälter. es ist immer anders. nach skala willst du? geh hier hoch, dann kommst du zur strasse und zum fussweg. ich hätte dich gern auf einen tee eingeladen, aber jetzt bist du spät, wenn du noch bis skala willst. sto kalo na pas, geh ins gute, und die panagia, die muttergottes gehe mit dir!“ ich dankte für den segen und war glücklich über die unsichtbare, aber gut spürbare begleitung und den damit einhergehenden schutz. schon momente später nämlich kämpfte ich mich dem eiswind entgegen den berg hoch. was für naturkräfte, was für himmlische gewalten! aber ja, mir gefällt das. zudem klärt es den geist noch gratis dazu.
nach guten zwanzig minuten (ich staunte) war ich oben in chora und nach ebensolchen unten in skala. auf patmos ist ja nichts wirklich weit weg, wenn man die fuss- beziehungsweise eselswege kennt. 

und das nächste mal, grossmütterchen, nehme ich den heissen tee gern noch dazu!




 panagia in der kirche von agios nikolaos







sämtliche inhalte dieses blogs unterliegen dem copyright. fotografien/texte©grüner atem/sdsutter

Montag, 14. November 2011

die heilige insel




himmel über patmos



die hexe hat mittlerweilen das weite, beziehungsweise andere rücken gesucht und gefunden, wie ich bei meinen begegnungen festgestellt habe. ich meinerseits habe den sprung ins meer mehrere male vollzogen und genossen - aber damit ist im moment schluss. seit sonntag haben wir dauerregen und empfindliche kälte - was will man da anderes tun, wie unter die bettdecke kriechen, tee trinken, geschichten lesen und welche erfinden. oder man geht ins warm geheizte kunst-kaffee, setzt sich an einen tisch mit deutschsprachigen frauen die schon lange hier leben, schlemmt heisse schokolade mit sahnehäubchen, dazu selbstgebackenen apfelstrudel mit vanillesauce und lauscht... wer geschichten liebt, kommt nach griechenland. hier gibt es sie: unglaubwürdige, fantastische, wahre und selbst erlebte.





kostbares strandgut




eine wahre zum beispiel, ist die des johannes des evangelisten, der hier in einer höhle die apokalypse geschrieben hat. seinetwegen ist patmos eine der sieben wichtigsten pilgerstätten europas und einer der wichtigsten orte in der griechisch-orthodoxen kirche überhaupt. kann man im internet nachlesen... seinetwegen wird patmos auch von unzähligen kreuzfahrtschiffen angefahren, diesen überdimensionierten dingern, auch "crèmeschnitten" genannt wie mir ein kenner verriet, die kaum in den hafen passen und jede vorstellung von schiff in meinem kopf platzen lassen. und ihr schiffshorn erst, das sie bei der ausfahrt ertönen lassen, sozusagen als pompöser abschiedsgruss... das erste mal als sie zu hornen begannen, sass ich in meinem studio, einige gehminuten vom hafen entfernt, gemütlich, 21 uhr... es dröhnte durch die stadt, über die ganze insel, in mein zimmer hinein - und liess decke und wände bersten... seither bin ich immer sehr erleichtert, wenn sie wieder fort sind und freue mich darauf, wenn sie das letzte mal für die saison hier waren.





"crèmeschnitte"




nach patmos bin ich durch robert lax gekommen. das erste mal genau vor einem jahr. lax war ein amerikanischer dichter, der hier als eremit gelebt hat und vor 11 jahren gestorben ist. er ist, wie sich herausstellte, in der breiten masse und auch bei belesenen leuten wenig bekannt. selbst auf patmos kennen ihn nicht alle. und wie bin ich auf lax gekommen? ja, das ist eine fantastische, wahre und dazu noch mystische geschichte, die sich allerdings am besten bei einem glas ouzo oder einem elleniko, einem griechischen kaffee erzählen lässt.
wie dem auch sei, dass es mit der insel etwas besonderes auf sich hat, war mir klar, dass sie heilig ist, habe ich erfahren als ich das erste mal auf ihr ging. mit johannes hat das wenig zu tun. ich denke viel mehr, dass er hier gelandet ist WEIL. es hat mit der schwingung zu tun, mit diesem duft in der luft, mit dem stein, dem staub und mit dem, wie es einem hier ergeht... vor einem jahr nämlich, um nur eine begebenheit von damals zu erwähnen, hat mich der gesang eines vogels am letzten abend meines aufenthalts derart verzaubert - noch nie zuvor hatte ich etwas so schönes gehört - dass ich mit einem süssen schmerz im herzen abreiste und mich über das ganze jahr hindurch immer wieder an diesen gesang erinnerte. ich wollte ihn noch einmal hören und darum bin ich jetzt hier.

den vogel habe ich noch nicht wiedergehört, dafür hatte ich eine andere begegnung. vor ein paar tagen also traf ich meine schöne eselin. ich hatte sie noch nie zuvor gesehen, meinte ich, aber sie kam so zielstrebig und vertraut auf mich zu, als kennen wir uns schon seit vielen leben und hielt mir zärtlichst ihren kopf hin. das war sehr berührend. die sache mit den tieren in griechenland ist ja schon sehr bemerkenswert, von wegen hexen, zauber und heilig... man denke zum beispiel an zeus's verwandlungskünste im grossen stil... da ist alexandros. ein charmanter älterer vierbeiner, hund, flauschig schwarz-weiss und gepflegt. die einheimischen lieben ihn, gehören tut er nur sich selbst und verstehen tut er alles. maria erzählte mir von seinen besuchen bei der coiffeuse, gleich neben ihrem schmuckladen. davon, wie er gerne zwischen den frisch parfümierten damen sitzt. natürlich bekommt er dort auch immer ein häppchen. gestern traf ich ihn zum ersten mal. einen blick in die augen, einmal schnupper-schnupper um meine beine seinerseits, dann rückenlage, bauch und hals freigelegt: bitte streicheln und nicht mehr aufhören... ich fühlte mich geschmeichelt.
von der gleichen gattung sei hierbei gerade noch apollo erwähnt, hellbraun und kleingewachsen, der mit immer der gleichen fähre von patmos nach rhodos und wieder zurück seine ausflüge macht, alleine wohlverstanden... diese geschichte wurde mir von verschiedenen leuten erzählt.
und dann ist da noch der dicke schwarze, mehr breit wie lang, wie ein brett sagen sie, hässlich wie nichts anderes, mit der schnauze einer maus und von den touristen geliebt und verehrt... aber ihn habe ich noch nicht begegnet. 
natürlich kennt man auch die andere sorte hunde: zähnefletschend, knurrend, bellend, mit böse funkelnden augen. die einem aus dem hinterhalt anspringen als hätte man gerade das grösste vergehen begangen, die den mofas und autos nachjagen und vor denen keine wade sicher ist.





meine schöne freundin





ja, in griechenland ist man gott und dem göttlichen näher wie anderswo  -  das ist einfach so  -  auch wenn man nicht daran glaubt. mit den hexen verhält es sich ebenso. und drum, wenn es in tiere verzauberte menschen gibt, dann sind sie hier zu finden.






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Freitag, 4. November 2011

patmos





gerade vor einer woche bin ich in griechenland angekommen. am letzten freitag war "ochi"-tag ("nein"-tag) also feiertag und währenddem im stadtzentrum von athen demonstriert wurde, fuhr der bus auf leeren strassen in rekordzeit vom airport in den hafen von piräus. die bluestar 1 (der blaue stern) legte pünktlich ab, in die nacht hineinfahrend richtung patmos, die lichter von athen hinter sich lassend. mittlerweilen habe ich eine unterkunft mit netten vermietern gefunden, 1 bad im meer genossen, eine insel-rundfahrt auf dem hintersitz eines mofas in rasanter geschwindigkeit überlebt und den health center, hauptsächlich von schweizer firmen gesponsert, kennengelernt. seit sonntag nämlich, es müssen wohl die viele putzerei in meiner wohnung im vorfeld, sowie die schlepperei des koffers und die bereits winterlich anmutenden kühlen temperaturen in der luft, resp. im wind... gewesen sein, denen ich einen reichlich schmerzlichen hexenschuss zu verdanken habe. oder es war tatsächlich eine hexe im spiel... wie auch immer - da ich mich auch noch am finger schnitt (also doch eine hexe...) und nicht ganz klar wie tief und sauber der schnitt war, ging ich mit einer tetanusspritze (die ich in der apotheke in der stadt kaufen musste) zum health center. die verarztung ging schnell und professionell. als ich bezahlen wollte, antwortete mir die ärztin, nein, das kostet nichts. was nichts... von wem sie denn bezahlt werden, wenn nicht von den patienten. sie wandte sich an den ambulanzfahrer, der auf dem sofa sass und die nachrichten am fernseher verfolgte. er lachte laut auf: "wer uns bezahlt? frau merkel, frau merkel."
nun ja, und für den hexenschuss bekam ich dann auch das nötige - die hexe wird von tag zu tag kleiner und mein liebäugeln mit einem sprung ins meer wieder intensiver.


mit goldenen herbstlichtgrüssen aus dem süden.






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