Dienstag, 8. Juli 2014

Naturgarten - Herzgarten. Für eine Freundin.





Im Naturgarten bei schönem Wetter.




Bei nicht so schönem Wetter - auch noch schön, oder?
Die Wittwenblume, zusammengebunden und nicht so gut 
ersichtlich vorne links, schaffte es heuer auf 1m80!



Eine mir liebe Freundin, die ich allerdings selten sehe, fragte mich kürzlich bei der Begrüssung: "Warum schreibst du eigentlich keine Blogs in der Schweiz? Ich vermisse deine Berichte." Wahrlich ging mir vor nicht langer Zeit, als ich bei der Arbeitspause in den Reben zwischen den Weinblätter hindurch in den Himmel spähte, das gleiche durch den Kopf: Ich könnte doch auch hier tun was ich dort tue.

Wobei, das muss auch gesagt sein obwohl wir es alle wissen, einen gewohnten Blick sich immer wieder neu gebären zu lassen ist nicht so einfach, und schliesslich wohne ich nun schon sieben Jahre und etwas mehr am gleichen Ort (was bemerkenswert ist, da ich vorher im Schnitt alle zwei Jahre umzog), und nenne das hier eine gewohnte Umgebung, auch wenn ich ab und zu in Griechenland bin. Tatsächlich fragte ich mich in letzter Zeit des Öfters, wie lange es wohl in Griechenland dauern würde, bis mein Blick, resp. der Alltag Gewohnheit würde...

Wie dem auch sei: den Wunsch in meinem Ohr und dem Versuch eine Chance gebend schreibe ich...




 Der alte Tisch ganz neu jetzt in weiss, anstelle von rot-blau. 
Extra wegen der Blumen. Die würden sonst nämlich nicht zur Geltung kommen.



Wie man weiss, ich bin wieder in der Schweiz - und dieses Hiersein ist, offen gesagt, aus verschiedenen Gründen nicht ganz einfach. Dass ich Griechenland pauschal vermisse ist klar. Dann aber fehlt mir auch die neue Parea, Menschen, die ich in den drei Monaten dort sehr lieb gewonnen habe. Auch fühle ich mich dort mit meinem eher unkonventionellen Lebensstil aufgehoben, weil viele Menschen auf Grund der Krise auch einfach nur den jeweils nächsten Schritt gehen und sich in Vertrauen üben oder sogar vorbildlich vorausgehen wenn sie sagen "Gott wirds schon richten"... Ausserdem ist Improvisation dort nicht nur ein Wort das in der Musik verwendet, sondern im täglichen Leben immer wieder auf's Neue umgesetzt wird. Auch fühle ich mich in Griechenland von Etwas geführt, dass ich hier nicht so einfach zu finden scheine, obwohl es überall auf der Welt existiert*. Einmal zum Beispiel kam ich im Zentrum von Athen mit einer Frau ins Gespräch - ich war auf der Durchreise vom Kloster auf die Insel. Und eigentlich fragte ich die Frau nach den Wetteraussichten für die nächsten Tage, weil mein Schiff auf Grund des Windes nicht ablegen wollte, und ich meine verfügbare Zeit für die Insel bedroht sah. Wir kamen ins Gespräch, und es stellte sich heraus, dass die Frau meine geliebte Gerondissa und das Kloster von wo ich gerade herkam auch kennt und schon dort war... In diesem Fall, so könnte man sagen, war es der begleitende kösterliche Segen - aber in Griechenland erlebte und erlebe ich zu Hauf solche Begebenheiten. Diese Art "Zu-Fälle" oder dieses Geführt-Sein bringe ich zum grösseren Teil mit der Orthodoxie in Verbindung. Meinen Beobachtungen zur Folge hat das nicht unbedingt etwas mit der Kirche zu tun oder überhaupt mit Tun. ES geschieht einfach. Aber eigentlich wollte ich darüber jetzt nicht schreiben. Eigentlich wollte ich sowieso nicht über Griechenland schreiben.





Auch bei uns: Bielersee mit St.Petersinsel




 Bielersee mit Fischreiher und Berneroberland-Panorama.
Fast wie richtig im Sommer...



Und überhaupt wäre ich eigentlich in der Badi - dort habe ich den Sommer über, also jetzt, nämlich einen Job im Kiosk. Nur, bei diesem Wetter bleibt die Badi zu, weil eh niemand kommt (zum Verständnis meiner ausländischen LeserInnen: ca. zehn Tage Regen mit Temperatursturz auf bis zu 9 Grad! Und wer weiss denn schon, wie's nachher kommt...). Verständlich. Ich ginge ja auch nicht hin. Das Schwierige an dieser Situation ist nur, dass man/frau/ich weiss, dass anderorts tatsächlich Sommer stattfindet. Barfuss laufen, draussen sitzen bis in alle Nacht, die Würze und Wärme des Tages nachkosten, Abendessen vom Feuer, mit offenem Fenster schlafen, Mückengesurre, tagsüber schwitzen vor lauter Hitze, träge werden im Körper und Geist, Wassermelonen, Joghurt, kalte Suppen und Salate, Schatten suchen, Hängematte, Schwimmen, ein Duft von Sonnencrème in der Luft, leichte Kleidung, von kühleren Temperaturen träumen... Nein, ich bin nicht abhängig vom Wetter, aber in gewisser Weise beeinflussbar. Und im Moment scheint mir auch "...ah, die Natur braucht das Wasser!" eine etwas boshafte Floskel. Silvia, auf Syros lebend, wurde von Einheimischen kürzlich gefragt, warum es in der Schweiz so grün ist... Und wer jetzt sagt, "...Aber was denn! Der Sommer war doch bisher wunderbar!", der trägt definitiv ein anderes Begehren von Sommer in sich wie ich. Ich träume von zwei, drei Monaten Sonne und Wärme (ohne Nordwind!), ab und zu ein Gewitter, evt. 2-3 Tagen Dauerregen.
Irgendwie möchte ich immer noch daran glauben, dass man das oder zumindest so ähnlich in der Schweiz auch haben kann...




Mein Ausblick aus dem Kiosk - wenn das Wetter mich lässt...
Ist schon schön, oder? Wenn man die Augen kneift, das gegenüberliegende Ufer 
ausblendet, und sich nur auf die Farben und Spiele des Wassers konzentriert, an bestimmten und
besonderen Tagen... könnte man fast meinen, man/frau sei am Mittelmeer!




Ike, Schweizerin, die 30 Jahre auf Symi lebte (siehe Blog: "Die Eule von Symi" - Teil 1 vom 10. Dezember 2011) und nun wegen der Krise in Griechenland für Arbeit in der Schweiz ist, gestand ich vor einigen Wochen in einem Mail: "Lachtaro tin Ellada - Ich sehne mich nach Griechenland." Die Antwort kam messerscharf zurück: "Wer das Wort "lachtaro" kennt, muss sofort nach Griechenland zurück!" Das gab mir einen Stich ins Herz. Weil, im Moment sieht es gar nicht danach aus, als könnte ich bald schon wieder und einfach so gehen... ausser..., vielleicht... ich würde nun wirklich meine Zelte hier abbrechen und dort ein neues Leben versuchen. Ich dachte schon daran, zum Beispiel letztes Jahr, als das Projekt "joy of life - workshop in experimenteller kunst" konkret wurde und ich für meine 3 Monate auf Syros plante.





Tut ihrem Namen heuer alle Ehre: Ihre Majestät Königskerze - Durchmesser 1m20!





Meine geliebten Karden und Stockrosen.







Heuer ist manches anders: macht ausnahmsweise zwei Ringe. Wie kommt's?






 Deshalb bin ich jetzt nicht in Griechenland.
Mein Fingerhut.



Aber dann entdeckte ich in meinem Garten ca. 20 Fingerhut-Ableger. Fingerhut, hochgiftig, ist eines der besten Herzmittel in der naturheilpraktischen Medizin, und ich deutete die Zeichen für ein grosses Geschenk. Es wuchsen in knapp sieben Jahren bisher ungefähr zwei mal ein Fingerhut, und ich weiss gar nicht, wie er überhaupt in den Garten fand. Auf jeden Fall war klar, dass meine Auswanderung verschoben werden musste, weil ich meinen Garten, sprich den Fingerhut, nicht einem ungewissen Schicksal überlassen wollte... schliesslich hat man/frau auch dem Garten gegenüber eine gewisse Verantwortung. Tja. Nun also sitze ich hier. An manchem Schönen, dass vielversprechend die ersten kleinen Blättchen aus der Erde gestossen hat, taten sich Hunderte von Schnecken gütlich, wenn nicht noch mehr... und liessen, zwar schöne braune, aber halt auch nackte Erde mit hier und da etwas Schleimspur zurück.

Spontanes Aufbegehren meinerseits! Allerdings, Schneckenkörner oder alternative Massenvernichtungsmittel kamen nicht in Frage. Nach dem ich den ersten Schock verdaut hatte, ging ich daran jeden Tag unzählige kleinste schwarze Schnecken und auch grössere, aus dem Garten zu sammeln und sie etwas weiter weg neu anzusiedeln oder besser gesagt auszusetzen. Manch einer flog in hohem Bogen, wenn auch immer mit besten Wünschen zu einem guten Flug UND einer ebensolchen Landung. Bis zu dem Tag, wo mir schlagartig bewusst wurde, dass das eine Vorstufe zum Holocaust ist was ich betreibe. Der Schreck sass! Ich schrieb der lieben Freundin (die auch die Fortsetzung der Blogs wünschte), weil sie erstens eine begnadete Gärtnerin ist und sich zweitens schon länger mit Tierkommunikation beschäftigt. "Ich freue mich, dass die Schnecken in meinem Garten sind." schrieb sie. Ein banaler Satz, der aber seine Botschaft nicht verfehlte, und das traf mich mitten ins Herz. Nur, ob sie auch so viele Schnecken hatte wie ich?




Gartenfreude! Immerhin hat doch manches überlebt!



Stockrosen haben wir von fast schwarzblütig bis hellrosa mit zartgelbem "touch".



Ein neuer Grundsatz: auch Schnecken wollen respektvoll behandelt werden! Auch wenn sie zu Tausenden den Garten überfallen und womöglich gezüchtet aus China importiert sind... Autsch!

Eine Alternative wollte mir nicht einfallen, also üben wir den Dialog auf neuer Ebene, Schnecke und ich. Vieles kam in volle Blüte und Fülle, auf anderes verzichtete ich zu Gunsten der Schnecken. Nun kann man sagen, Blumen sind nicht gleich Gemüse - nur, wenn sie einem so am Herzen sind wie's Gemüse kommts auf's Gleiche raus, oder? Erstaunlicherweise benehmen sich auch die kleinen Schwarzen anständig. Nachbarin bemerkte, "... nun sind alle in meinem Garten!", aber das glaube ich ihr nicht.






Von dieser Schneckensorte war nicht die Rede. Aber ich konnte beim 
besten Willen im Garten nur eine einzige Nacktschnecke in fotografisch unvorteilhafter 
Position finden. Kommt mir seltsam vor, und ich kann mir das nicht erklären. 
Vielleicht ist es die Kälte, die sie sich verkriechen hat lassen...? Ich hoffe! 


Und seit mir die vielen vielen vielen Tausende von leeren, ausgetrockneten Schneckenhäuser im Erinnerungsbild sind die man zu dieser Jahreszeit in Griechenland antrifft - eben im heissen, trockenen, niemals enden wollenden Sommer - betrachte ich die Meinen mit einer liebevollen Zärtlichkeit. Auch jene ohne Haus auf dem Rücken.






Geeignete Sommerlektüre an Regentagen wie heute:
"Heute schon eine Schnecke geküsst?" von Eike Braunroth


*Auf letzte Woche blickend muss ich hierzu korrigierend erwähnen, dass sogenannte Wunder oder wundersame Zu-Fälle in unseren Breitengraden eventuell eine gewisse Entwicklungszeit benötigen, weil eben der Alltag so hektisch und fest strukturiert ist, weil man/frau eventuell und unter Umständen anders fokussiert ist - wohl damit ich sie nicht übersehe, erlebte ich nämlich gleich drei davon! 

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wenn nicht anders vermerkt: fotografien/texte © grüner atem / sandra dominika sutter






Mittwoch, 9. April 2014

Ach, Ellada mou!








 Diese Bilder stammen von der Wanderung "Im Garten Eden".
Den Text dazu muss der Leser, die Leserin sich selber schreiben. 
War eben keine Zeit mehr dazu.




 Aber soviel kann ich sagen: es war wieder so wie gäng: 
ALLES HERRLICHST WUNDERBAR!



 Wilder Ruccola! Einfach: Mhmmmmm!



Und die Feigen sind auch schon bald soweit.
Im Gegensatz zu unseren in Gaicht...






Was mich in Griechenland immer wieder fasziniert und in Freude versetzt, ist zu erleben, wie die Fäden laufen. Irgendwie schwingt da noch etwas wie göttliche Führung mit (ich erwähnte es schon im letzten Blog: die Gnade des Himmels) oder übersinnliche Kräfte. Ich war beschäftigt mit aufräumen, putzen, packen, verabschieden. Die Zeit wurde knapp, und ich fand mich innerlich bereits damit ab, dass es nicht mehr zu allem reichte was ich wünschte.



 


Zum Beispiel Grossmütterchen einen Besuch abstatten. Ich traf sie am Anfang meines Aufenthalts, einige von euch erinnern sich vielleicht, und fragte sie nach dem Weg. Ich dachte oft an sie, konnte vom Balkon aus fast ihr Haus sehen, dachte, "schade, jetzt ist keine Zeit mehr dafür..." Tja und so sass ich vor ein paar Tagen im Bus nach Posidonia und da stieg Grossmütterchen ein. "Kiria Katharina!" grüsste ich sie. Sie überlegte einen Moment und als sie den Faden fand, strahlte sie wie tausend Sonnen. "Ela Koritsi, komm Mädchen," rief sie mich zu sich, als der Platz kurz darauf neben ihr frei wurde. Wir verbrachten die Fahrt zusammen. Sie erzählte mir allerhand, zeigte mir Fotos von ihren Urenkeln, wir redeten über die letzte Reise im Leben und freuten uns beide über alle Masse, dass wir uns noch einmal getroffen hatten




Auf dem Weg nach Grammata. Im Hintergrund das Haus 
und der Wald des Amerikaners.



Ein Segen für Auge, Seele und Badende im Sommer.
Schattenspender und Freunde.



Dann war da noch Schäfchen. Wie es ihm wohl ging? Die letzte Wanderung, die Silvia und ich noch machen wollten führte uns in seine Gegend. Wir beschlossen, erst zu wandern und dann Schäfchen zu besuchen. Es war, trotz bedecktem Himmel und Windböen bis zum Fortfliegen, herrlichst wunderbar! Ach, diese Düfte, Farben, Pflanzenpracht und die Steine! Wir besuchten den Wald und das Haus des Amerikaners. Der hatte vor 60 Jahren die Idee gehabt, inspiriert von den klassischen Schriften, Syros wieder zu begrünen. Er pflanzte 15'000 Bäume, 5000 davon überlebten, sagt man. Ich habe sie nicht gezählt. Aber die Oase erfreut Auge und Seele, und die Badenden an einem der schönen Strände im Sommer. Am Schluss der Wanderung trafen wir auf zwei Geologen aus Frankreich, die das Gestein der Insel erforschten und uns sodann ein Stück syrianische Jade schenkten. Da sie von der Stadt aus zu Fuss unterwegs waren luden wir sie ein mit dem Auto ein Stück weit mitzufahren, damit sie nicht stundenlang auf Asphalt gehen mussten. Dank dieser Begegnung wurde unsere Rückfahrt etwas verzögert. Als wir bei Schäfchens zu Hause vorbei fuhren entschieden wir wehmütig, weil schon etwas spät und weil wir die Franzosen im Auto hatten, den Besuch zu lassen. Kurz darauf versperrte uns eine Schafherde die Strasse und wir mussten anhalten. Ja, und wer kletterte über das Steinmäuerchen seiner Schafherde hinterher? Baba Jannis, unser Bauer! Wir begrüssten uns strahlend! Wie es Schäfchen gehe? Wunderbar! Er füttert es und noch ein anderes Lamm mit der Flasche, es ist gesund und wächst. Schön, oder? Nun war alles gut.



 Schöner, schöner Stein...



...schöne, schöne Landschaft...




...in allen Farben und Formationen.




Und dann fuhren sie wieder. Ach, Ithaki mou!

 

Dann kam das Finale. Erst haben die Apotheker endlos gestreikt. Dann die Fähren. Somit waren auch alle Flüge von der Insel zum Festland über Tage ausgebucht. Das bringt Unruhe und eine gereizte Stimmung in den Inselalltag und in die Atmosphäre. Man spürt es sofort. Meine Pläne wurden nicht überopsi geworfen, ich war lediglich ein bisschen besorgt um die Windstärke... aber die Ithaki fuhr pünktlichst und in einem herrlich ruhigen Gewässer.




Ach, Stein, ach Syros, ach Thalassa, ach Ellada mou!




Ach, was war es schön!





Gaichter Wald.


Die Schweiz empfing mich freundlich und mit einer Üppigkeit an Grün und anderen Farben, dass es mir trümmlig wurde... Nun ja sicher, ist auch schön. Aber nun friere ich wieder. Und mit dem Klang der Eselshufe, mit dem Kirchenglockenkonzert am Morgen und am späteren Nachmittag und mit vielem anderen ist's jetzt vorbei. Von der Parea und meinem täglichen Bad im Meer ganz zu schweigen. Und Ostern findet auch ohne mich statt... Ach...!... Immerhin, wenn die Windverhältnisse dementsprechend sind, höre ich ab und zu das Schiffshorn vom Bielersee. Und wenn ich an einem schönen Tag an seinem Ufer stehe und die Augen zukneife könnte ich mir vormachen er sei das Mittelmeer... nur, baden darin (im Moment 11 Grad) ist nicht einmal annähernd verführerisch. Ach Ellada mou!





 Gaichter Garten.





Zum Abschluss von Orfeas Peridis - Fevgo - I am leaving, every day i am leaving.  

https://www.youtube.com/watch?v=WIe-W5wNb9c 



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Freitag, 4. April 2014

Fotis und Kostas





Plastiksäcke schmücken die Gassen.



Ich habe mich schon bei meinem Novemberbesuch über die hängenden Säcke in den Gassen von Ermoupolis gewundert. Evgenia erzählte mir, der Mann mit dem Esel sammelt sie ein. Im Januar bei der Hauseinführung erklärte mir der Besitzer das Recycling-System (Papier, Glas, Blech, Plastik, Restabfall) und erwähnte, dass Restabfall in einem Plastiksack an den Telefonmasten vor dem Haus gehängt werden kann. Der Mann mit dem Esel sammelt sie ein, von Montag bis Freitag. Und tatsächlich hörte ich schon ab den ersten Tagen einen nostalgisch anmutenden Hufe-trifft-Steinboden-Klang in den frühen Morgenstunden. 








Es war nicht so einfach, sie zu erwischen. Viele Tage und immer wieder von neuem lauschte ich... Manchmal schaffte ich es gerade noch ein bisschen Hinterhufe zu erhaschen bevor sie hinter einer Ecke verschwand. Manchmal kamen sie zu anderen Zeiten. Manchmal verschlief ich. Kurz vor Abreise war mir der Himmel in meinem Wunsch gnädig und ich traf Esel und Halter ein paar Treppenstufen unter meinem Haus überraschend. 





Malerisch - oder?



Kunst hat eben viele Facetten.



Er hätte 5 Esel und zwei Pferde und liebt die Tiere, sagte Kostas und gab seinem Esel ein Stück Brot. Ja, man hört das an der Art wie er mit dem Tier spricht, und siehts wenn sie zusammen gehen. Übereinstimmung, Ruhe und Harmonie ausstrahlend. Er beginnt seine Touren um 4 Uhr in Ano Syros, das oberhalb der Stadt Ermoupolis liegt und ähnlich viele Treppenstufen hat, und beendet sie gegen 8 Uhr in der Stadt, je nach Aufwand. Ich schätzte diesen Service sehr! Weil diejenigen, die weiter unten und drum näher an den Containern wohnen, müssen ihren Abfall selbst entsorgen.

Oh, ich werde es vermissen, den Klang der Eselshufe und Kostas ruhige Stimme, mit der er Fotis - oder einen der anderen vier Esel - in den frühen Morgenstunden durch die Gassen führt.




Fotis - nach dem Wochenende hat er viel zu tragen...



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Dienstag, 25. März 2014

Ein Lamm alleine am Strand









Magisches Griechenland!




Das Halten des einen Punktes geht bei angenehmen Temperaturen und Sonnenschein wahrlich wesentlich leichter! Wir verfliessen ineinander, ohne dass ich was tue, WIR SIND einfach. Die nächste Herausforderung wird sein, ich habe es schon erwähnt, diese Einheit zu wahren wenn es denn bald ums Abschiednehmen geht. Meine verbleibende Zeit auf Syros rinnt mir durch die Finger wie Sand und etwas in mir kommt ansatzweise ins flattern... Es ist drum äusserst wichtig, immer alle Seelenanteile mit sich zu nehmen und nichts zurückzulassen, egal ob man eine grosse Reise unternimmt oder nur von zu Hause ins Büro geht.

Hier ist also allerhand viel los, und so bin ich etwas im hinderlig mit berichten. So viel Aktivität bin ich mich von meinen Aufenthalten in Griechenland nicht gewohnt. Aber eben, auf Syros ist alles anders. 
 



 Hauptprobe - Na ja, meistens beginnts eben erst 
mit einer so genannten Höflichkeitsverspätung...

Heute zum Beispiel ist Nationalfeiertag mit Paraden, Marschgang, Uniformen, Fahnen (blau-weiss, sehr schön!) und lauter Musik. Es wird dem 25. März 1821, als die Griechen sich gegen die Herrschaft der Osmanan erhoben, also für Unabhängigkeit aufstanden und kämpften, grosser VolksheldInnen wie Kolokotronis und Laskarina Bouboulina gedacht. Letztere ist einigen von uns auch aus dem Film Alexis Zorbas bekannt. Man kann sich bei solchen Anlässen natürlich sehr wohl fragen, wo denn die heutigen Helden und Heldinnen sind, resp. ob denn in naher oder ferner Zukunft nicht einmal ein anderes Aufstands-Datum gefeiert werden möchte... oder zumindest anders... mit weniger Marschmusik und gestreckten Armen und Schritten... 
Gleichzeitig mit der Unabhängigkeit wird auch Maria Verkündigung, Evangelismos gefeiert. Zudem haben wir schönes Wetter, perfekt für einen Sprung ins Meer und einen Ausflug ins Grüne... Wie nur soll man das alles unter einen Hut bringen, ohne in Atemlosigkeit zu geraten?





 Also wurde flaniert...



...und marschiert...


...von Klein...




 ...und Gross.


Und auch eine Antiquität spazieren geführt: das erste Elektroauto 
Griechenlands war der E8000 und wurde 1974 in Ermoupolis produziert.









Also ich war wieder wandern, mit Silvia; sie und ihr Mann, beides Schweizer, leben schon viele Jahre hier. Sie wandert ab und zu für Imbach*, mit kleinen und auch grösseren Gruppen auf Syros und in der Umgebung. (Naja, wie die Fäden des Lebens so laufen – ich habe meine ersten beiden Griechenlandreisen auch wandernd mit Imbach verbracht. Ich hätte das auch mit Baumeler tun können. Das ist nämlich der andere Schweizer-Wandern-in-der-Welt-Anbieter. Aber eben.) Nun ist es bald wieder soweit, dass eine Gruppe kommt und so lud sie mich ein, einige Wanderrouten mit ihr abzulaufen um rote Punkte zu markieren und weil zu zweit gehen Freude macht. Für mich ist das natürlich wunderbar. Silvia kennt die Wanderwege der Insel bestens und weiss auch dies und das über Syros zu erzählen. 


Tja, und so im Unterwegssein erlebt man gerne das eine oder andere Abenteuer. 





 Ach, was für eine Oase!


Wir waren gleich zweimal zusammen unterwegs. Die erste Wanderung führte uns in den Süden und an einem Gut vorbei, das einmal das schönste auf der ganzen Insel war, wenn nicht sogar das schönste in den Kykladen! Eine Anlage die einem sofort ins Träumen verführt. Umgeben von einer grünen Oase, weit genug vom Strand so dass die Wellen die Mauern auch beim heftigsten Sturm nicht erreichen können, aber so nahe, dass man zu Fuss in ein paar Minuten ins herrliche Meer eintauchen kann. Mir wird beim Anblick vom Verfall überlassenen Häusern immer etwas klamm ums Herz. Und es denkt dann eben allerlei, in ganz verschiedene Richtungen... Silvia meinte, das wäre der ideale Platz für ein Hotel mit Spa, ich dachte auch an Seminarräume, Retreats... die Ideen purzeln einem ins Hirn ohne Anstrengung. Na ja, vielleicht ist es mit den Häusern wie mit den Blumensträussen, die man, wenn sie verwelkt sind auf den Kompost wirft... Ich meine, dies ist nicht das einzige schöne Haus das so vor sich hin bröckelt, es gibt noch viele mehr. Wobei, auch das soll hier gesagt werden, Varja, die schon in den 80-er Jahren hier war meinte, damals hätte es fast nur Ruinen gegeben, „...und dann sind Menschen gekommen und haben restauriert, renoviert, frisch aufgebaut.“ Wer sich angesprochen fühlt: dieses sollte für 10 Millionen zu machen sein! 






 Schön...



 ...oder?



 Ja... war schön! Und ist immer noch.




Küche mit Marmorbecken und direktem Blick aufs Meer.



Das Thema dieser ersten Wanderung war: wie lässt man sich vom Wind nicht davon wehen... Er verlangte von uns, unsere ganzen Gleichgewichtskünste zum Besten zu geben. Er kam böig, mit sibirischer Frische und etwa 8 Bofor. Die Schiffe fahren bei dieser Windstärke normalerweise nicht mehr... Dafür strahlend blauer Himmel. Wir jedenfalls torkelten über die Höhen wie zwei Betrunkene. Um die Aussicht für einen Augenblick zu geniessen (weil länger war zu kalt), setzten wir uns in den Wind und er hielt. Ein tolles Gefühl. Wir wunderten uns, dass die zarten Blümchen nicht fortgerissen wurden und auch die Schmetterlinge sich nicht allzu stark beeindrucken und sich anstelle vom Wind tragen liessen. 






Zufälligerweise fanden wir ein Plätzchen wo wir vom Wind 
geschützt etwas ausruhen und die Aussicht geniessen konnten.



Die zweite Wanderung ging in den Norden, wo die Landschaft nur noch spärlich besiedelt ist. Ebenso eine wunderbare Gegend! Es war ein herrlicher Tag, kein Wind, Sonne, warm... Delos, auch die schwimmende Insel genannt, schwebte geradezu in geheimnissvollem Licht zwischen Wasser und Himmel. Tinos schien 10 Minuten nah zu sein, und man sah sogar bis Ikaria. Ich schickte Grüsse nach Patmos, das etwas weiter südlich liegt und durch Mykonos verdeckt wird. Es war absolut zauberhaft. Was wir nicht alles an Flora entdeckten! Farben, Düfte und eine Atmosphäre die einem so nach und nach in das höchst mögliche der Gefühle und Empfindungen transformiert. Man/frau kann es nicht tun, auch wenn man es wollte oder eben nicht wollte – es wird mit einem gemacht. Man/frau ist da völlig machtlos.




Einen Wanderweg mit Geländer habe ich 
in Griechenland wahrlich selten gesehen. 



 Unsere abenteuerliche Wanderwegfortsetzung ohne Geländer.


Also genossen wir. Wir besuchten ein kleines Kirchlein in Chalandriani, sprachen hier und dort mit einem der wenigen Einwohnern, sammelten wilden Thymian, stiegen langsam zum Strand hinunter. Silvia meinte, sie hätte von Ferne etwas Weisses sich bewegen sehen... Aber der Strand war verlassen als wir ankamen. 
 



Strand. Herrlich - oder?



Stein und Berg. Herrlich, oder?


Wir genossen ein Bad im Meer. Die oberste Schicht bereits von der Sonne angewärmt, und gleich darunter Winterfrische! Wasser-Farben zum Verrücktwerden und, drehte man sich dem Berg zu, einfach nur Staunen ob solch wunderbarer Formation! Reinste Glückseligkeit! Ja. Und dann stand da aus dem Nichts dieses weisse Etwas inmitten schwarzer Felsen am Wasser. Stand da mit hängendem Köpfchen, als wenn es das Wasser betrachtete... Ach, es war innigste Liebe vom ersten Anblick an: ein Lamm! Nur, weit und breit keine Herde. Beide sind wir uns nicht gewohnt im Umgang mit Schafen, also telefonierte Silvia mit einer Freundin die sich damit besser auskennt. Es war klar, dass wir es nicht hier lassen konnten. Also versuchten wir es zu fangen. Und tatsächlich war es ein Leichtes: Silvia konnte es fassen. Allerdings, nicht das leiseste Mäh kam aus seiner Kehle. Wir gaben ihm etwas Wasser, es trank! und machten uns an den Aufstieg. 





 So weit so gut.



Na ja, ein bisschen in Sorge war ich schon. 
Wie lange war es schon ohne Futter? War es krank? 
Wird es überleben? 


Oh, es war schon besonders, dieses flauschig herzallerliebste Geschöpfchen auf meinen Schultern zu haben, sein Köpfchen so nah, ab und zu an meinem Finger leckend und knabbernd... Ich weiss nicht wie mir geschah. Auf wundersame Weise wuchsen mir Flügel und mit der Unterstützung aller guten Geister flogen wir in Windeseile den Berg hinauf! Ich war selbst sehr erstaunt. 






Beide glücklich? Wir haben den Aufstieg 
in Windeseile und Leichtigkeit geschafft.


Man muss wissen, eine Insel hat überall Augen und Ohren, auch wenn man nix davon sieht. Beim ersten Haus sodann stand schon ein Mann vor der Tür, erwartete uns und fragte wohin wir mit dem Lamm wollten. Wir erklärten ihm fliegend weshalb und wieso, aber so leicht liess er uns nicht fortkommen und meinte, wir wollten das Tier stehlen. Er erhitzte sich sofort. Ich spürte plötzlich die stechende Sonne im Gesicht und erinnerte mich meines letzten Elends. Ausserdem hatte ich „mein“ Schäfchen auf den Schultern und das brauchte Futter. Also hatte ich keine Nerven für Diskussionen und ging weiter. Auch das kam beim Mann nicht gut an. Silvia, von Herzen sei ihr gedankt, offenbar geübt im Umgang mit delikaten Sachverhalten, spricht perfekt fliessendes Griechisch, konnte ihn nach langem hin-und her beschwichtigen. Tatsächlich hatte er sich am Ende für sein Verhalten entschuldigt. Eine gute Komponente hatte dieses Treffen alleweil, da Silvia die Telefonnummer des Schäfchenbesitzers in die Hände gedrückt bekam und wir eine konkrete Anlaufstelle hatten.







 Der Bauer mit seinem Lämmchen...



...die neuen Freunde...



Also fuhren wir zu dritt im Auto - Silvia, ich und Schäfchen auf meinem Schoss - zum Bauern, einem etwas gebückten Grossväterchen mit grossen Händen, wettergegerbtem Gesicht und einem warmen Herzen. Er erkannte natürlich sofort, dass es sich beim Lämmchen um ein Böckchen handelte, dass es 3 Tage alt, wahrscheinlich von seiner Mutter verstossen wurde, aber gesund sei. Es bekam warme frische Milch zu trinken, und es trank. Es war ein emotionaler Moment, als es uns nachtrippelte, als wir gingen. 






...und die neue Aussicht vom Hof ins Land und aufs Meer.



Zum Abschluss unserer Wanderung – ich meine, mir würde so ein Drehbuch nicht im Traum einfallen, es mutet direkt ein bisschen kitschig an... kamen wir zufälligerweise zur Kappelle des Heiligen Antonius. „Liebster Heiliger Antonius, wir haben das Verlorengeglaubte durch deine Führung gefunden und heimgebracht, nun schaue du, dass es ihm gut geht!“







Möge es gross werden und leben, und viele Schafe mit seiner Kraft beglücken!






*wer nichts davon wusste, und gern möchte: http://www.imbach.ch/rund-ums-reisen/wanderreisen



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