Mittwoch, 15. Juni 2016

Insel mit den schönen Augen






Auch immer wieder schöne Insel Syros!



Wir haben Sommer – seit langem schon und wie richtig. Das ist schön, und wir geniessen es sehr. Auch wenn Wandern bei griechischer Hitze nicht so leicht zu ertragen ist. Einfach nur zum sagen. Ausserdem hatten auch wir einige Störungen mit starkem Regen und Gewitter und letztens hatten wir einen ganzen Tag lang seltsame Wolken und ziemlich heftigen und auch frischen Südwind der weisse Kronen aufs Meer zauberte und die Luft braun färbte. Nun ja, lange Erklärungen kurzer Sinn: wir haben es hier gerade umgekehrt wie in der Schweiz. Dort reden sie derzeit von „Gut-Wetter-Störungen“...


Also ich war mit den Flüchtlingen in Piräus und ich habe mit einer parea Bäume gepflanzt. Davon schrieb ich bereits. Für das Bäumepflanzen, resp. die Anstrengungen zur Verschönerung der Umgebung (wie das hier auch genannt wird), habe ich, haben wir schon einiges Lob erhalten, von Bekannten und von der örtlichen Zeitung. Das ist schön, nur, Bäume zu pflanzen ist ja keine Kunst. Sie gross zu bringen dagegen schon. Wöchentliches wässern, jäten, Schilf aushacken... Zur griechischen Osterzeit hatte ich eine Gruppe wanderfreudige Freunde hier. Wir durchlebten die Passionswoche, feierten Ostern zusammen mit Syrianern, genossen es uns in der Natur aufzuhalten, also zu wandern und auch, etwas für die Natur zu tun. Und so taten wir. Mein Dank und meine Freude sind gross! 




Woran zwei Hände lange arbeiten...



schaffen es viele in kürzerer Zeit.



Ich danke von Herzen sehr!


Und auch während meinen Abwesenheiten (ich war auf Kos und Karpathos), half ein Bekannter mit wöchentlichem Wässern aus. Auch ihm sei von Herzen gedankt! Meine Freude bei der Rückkehr: die Oleander blühen, die Tamarisken haben in alle Richtungen ausgeschlagen, die Johannisbrotbäumchen machten herzallerliebste kleine, neue Blättchen. Und bis jetzt haben alle gepflanzten Bäume überlebt. Stelios der pensionierte Schlosser der oberhalb unseres Grundstücks seine Werkstatt hat, schien sich auch zu freuen, lud er mich doch das letzte Mal als ich bei den Bäumen wässerte, zum ersten Mal zur Kaffeepause ein. Jedes Mal, wenn er jemanden von uns sieht, versucht er zu überzeugen, dass wir eine automatische Bewässerungsanlage installieren müssen, das wäre viel einfacher, und man hätte dann Zeit für anderes. Zum Beispiel zum Sitzen und Kaffeetrinken. Ich wiederum erkläre ihm jedes Mal, dass das nicht das Anliegen ist. Sondern dass es viel eher darum geht Zeit mit den Bäumen, mit dem Ort, und in der Umgebung zu verbringen. Sein pensionierter Freund Leftheris, der zufällig auch zum Kaffee dort war, verstand sofort was ich meinte. „Und der Schilf (kalamia) muss auch weg,“ auch das sagt Stelios jedes Mal, „sonst nimmt er die schöne Aussicht, und schliesslich wohne ich ja hier!“ Immerhin hat er dann doch sehr gestaunt, als die kalamia (oh, sie wachsen unendlich gut, üppig und schnell und im Moment noch immer wieder! Und ihre Wurzeln sind tief und fest im Boden!) ein paar Stunden später beseitigt waren. 




Kos Stadt.




Bizarre Steinformationen mit Bewohnern.


Und Kühe mit richtigen Hörnern gibt es auf Kos auch!



Und wie es zu meinen Ausflügen auf Kos und Karpathos kam? Nun auf Kos habe ich eine Reiseleiterin die für Imbach wandert aber nicht konnte stellvertreten, nicht dieselbe wie letztes Jahr. Und auf Karpathos habe ich eine Einführung erhalten, auch mit Imbach. Zusammengefasst: es war einfach schön! Und ich habe viel gesehen und erlebt! Teilweise war es etwas abenteuerlich, dies v.a. was die Reise Kos betrifft. Aber vielleicht gehört das zum Einstieg in ein neues Metier. Sozusagen Feuerprobe. Die Reise beinhaltete zwei Tagesausflüge auf die Nachbarsinseln Kalymnos und Nysiros. Und so gab es allerhand zu organisieren und sämtliche Wanderwege im Voraus abzulaufen. So weit so gut. Dann startete und endete die Wanderwoche mit für die Jahreszeit aussergewöhnlichen Regenschauern. Neben einem verknaxten Fuss und einem Sturz mit Blut (beides zwar ärgerlich für die Betroffenen, aber Gott sei Dank glimpflich!) gab es auch einen Bienenstich ins Gesicht mit bedrohlicher Schwellung und Gang ins Spital – dieser betraf mich. Wobei zu betonen ist, dass das Timing für den Stich sozusagen perfekt war, sodass das Tages- und auch weitere Programm ohne Einschränkungen durchgeführt werden konnte. War alles in allem eine besondere Erfahrung, wie das eigene Gesicht zur Unkenntlichkeit transformieren kann und wie es ist, mit so einem Gesicht der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein. Nichts desto Trotz erlebten wir viel Schönes auf der Insel des Hippokrates, und den anderen beiden. Üppige Natur, eine Vulkaninsel, interessante Steinformationen, nette Menschen, immer feines Essen, Zimmer mit Meerblick. Wobei die Koer dieses Jahr an, wie sie sagen, stark reduziertem Tourismus leiden. „Wegen den Flüchtlingen kommen die Leute nicht! Dabei haben wir gar keine mehr!“ Das Unverständnis ist gross. Als wenn sie nicht schon genug mit der Krise zu tun hätten, bleibt nun der erhoffte Tourismus aus. Eine fatale Kombination.



Schlafen, träumen und gesunden! Asklepieion Kos.


Einfach SCHÖN! oder?



Blick vom schönsten Berg-Kafenion von ganz Kos und eventuell 
überhaupt auf Alt-Pyli (hinter den Bäumen)!...




...und mit der schönsten Toilette; derzeit in der Schweiz nicht sehr kompatibel...



Vulkaninsel Nysiros: wunschlos glücklich ist man...



 

...wenn der Schwefelgeruch dank Windrichtung von einem weggeweht wird.



Kalymnos: Tag ein Tag aus schaut er in den Himmel...


Die Gäste reisten dann wieder nach Hause, und ich also nach Karpathos. Ja, Karpathos. Was für ein Flecken Erde der Berge und Wanderwege wie im Alpstein oder Berner Oberland offeriert! Und dieser Flecken liegt am Ende der Welt, möchte man sagen. Aber natürlich liegt er im Mittelmeer. Und zwar im schönsten Mittelmeer und das ist zwischen Kreta und Rhodos. 



 Viele Wege führen nach überall hin!



Die Reise mit dem Schiff war besonders. Auf dem letzten Stück Fahrt hatten wir sehr viel Wind und Wellen. Eigentlich gehört sich das so, wenn man zu einer wilden Insel fährt... Bevor mir ganz übel wurde, schaffte ich es gerade noch vom schönsten Platz des Schiffes ganz vorne bis in seine Mitte, wo es weniger schaukelte. 



Da ging es mir gerade noch gut. Je näher wir aber dem Flecken kamen, desto
wilder wurde die See, auch wenn sie hier nicht danach aussieht... 


Am Nebentisch sass eine kleine Gruppe älterer Menschen, die in einem griechischen Dialekt miteinander sprachen von dem ich nur ein paar Worte verstand. Vertrauter Klang von lange, lange her... Die Bluestar Ferry 2, eine riesige Fähre die viele Hunderte Passagiere und fast ebenso viele Autos transportieren kann, fuhr gerade mal ein paar Hand voll Reisende über die stürmische See. Ein paar Hand voll... Vor knapp 20 Jahren, als ich zum ersten Mal auf Karpathos war, war die Atmosphäre die gleiche, nur reiste ich damals mit dem Flugzeug.





Schönes, schönes Karpathos!


Die Farbigkeit, die in der Landschaft nicht zu finden ist, 
findet sich auf Fussböden.



Nun ja, das Bild von Pigadia, dem Anlegehafen - heute auch Karpathos Stadt genannt - hatte ich nicht mehr so genau im Gedächtnis. Äusserlich hat sich einiges verändert: es gibt Supermärkte mit Parkgaragen, wenige, jedoch edle Hotelkomplexe gleich am Meer, schicke Lokale... all das nur im Hauptort, wohlverstanden. Ansonsten keine grossen oder modernen Hotelanlagen, vielleicht ein paar neue Häuser. Aber die Stimmung von damals war mit dem Betreten der Insel sofort wieder da, die Inselbewohner sind wie sie waren: etwas wild und eigen, mit herbem Charme und... schönen Augen!... ach... Es war wie heimkommen - obwohl ich damals nicht einmal eine besonders glückliche Zeit erlebte, wofür die Insel und auch die Menschen aber nichts konnten. 
 


Eigentlich könnte man sagen ist Karpathos ein einziger Berg - mit Ausnahme des südlichsten Zipfels, auf dem auch der Flughafen ist. Dort ist man plötzlich mit einer Einöde konfrontiert, bei deren Anblick man sich fragt, "Wo um Himmelswillen bin ich gelandet???" Diesen Kontrast und auch andere, muss man aushalten können, wenn man hierher kommt...



Meine grösste Überraschung: so perfektes von Griechen gesprochenes Englisch wie hier habe ich nicht einmal auf Kos gehört, wo ich gerade herkam. Sogar die Verkäuferin an der Kasse im kleinen Supermarkt dessen Auswahl in den Gestellen an eine Zeit des Kommunismus erinnert, blieb stoisch beim "Yes please?".  Das hat damit zu tun, dass Karpathos eine klassische Auswandererinsel war. Die Menschen reisten nach Australien, USA oder Kanada um der Not zu entrinnen. Evt zu Ostern, aber ganz sicher im Sommer kamen sie regelmässig zurück in die Ferien. Man nannte sie auch Frisbees. In die Ferne geworfen um zu überleben... aber immer wieder zurückkehrend. Einige wurden krank oder verrückt vor lauter Heimweh nach ihrer Insel. 




Einschlafen und Aufwachen mit Meeresrauschen... braucht man mehr?



Herrliche Landschaften...



...und für das schönheitsliebende Auge ästhetische Zumutungen! 
Eigenwillige Bauweise, immerhin zugunsten der Palme!


Ich kam einen Tag vor der Wandergruppe an, übernachtete in Pigadia, und sollte anderntags nach Lefkos in unser Hotel. "Ein Bus nach Lefkos? Nein, den gibt es nicht zu dieser Jahreszeit, das heisst, schon, aber nur jeden zweiten Tag." "Ein Taxi? VIEL zu teuer! Besser Du mietest ein Auto - hast Du einen Fahrausweis?" "Ich würde Dich hinfahren... aber morgen muss ich gerade nicht dorthin." Damals sagte mir jemand der öfters hier war: "Um Kaprathos und seine Bewohner zu verstehen muss man mit ihnen erst einen Sack Salz futtern." Ich hatte sie nicht nach der Grösse des Sackes gefragt. Schliesslich entschied ich mich für das Taxi bis zum Flughafen (das war vielleicht ein Drittel des Weges bis zum Ziel) mit dem gleichen Taxifahrer, der mich tags zuvor vom Hafen ins Hotel in Pigadia gefahren hatte. Und das war ein Volltreffer, denn, so hat es sich unterwegs im Gespräch herausgestellt, war er einer der beiden Fahrer für unsere Imbach-Gruppe. Am Flughafen also traf ich die Gruppe und Reiseleiterin und fuhr mit ihnen gemeinsam in „meinem“ Taxi ins Hotel Krinos in Lefkos. 




Unberührte Natur.


Besonders.




Diafani, verschlafenes Dörfchen am Meer...



...mit schönen Augen an Hausfassaden.



Das typische Frühstück ist: Oliven, Paximadi (getrocknete Brotstücke), 
Käse, je nach Saison in Essig eingelegte Karpernblätter. 
Für Touristen tischen sie aber auch Brot, Butter und Marmelade auf.



Ja, und dann war ich damit beschäftig Höhenmeter zu bewältigen: 1100 m hoch und genau so viele wieder runter, im Wechsel und in Varianten. Nicht nur wegen dem dichten Wander-Programm hatte ich keine Zeit zum Schreiben. Einerseits bekam ich eine Einführung in die Tour und ins Reise-Leiten und deshalb gabs mit der Reiseleiterin viel auszutauschen. Andererseits tat auch die schlechte Verbindung in den Orbit das ihre dazu. Das ist eben so auf Karpathos – man lebt in einer anderen Zeit. Die Strasse von Olympos, dem schönsten Bergdorf in der ganzen Ägäis und mit regem Tourismus wohlverstanden, nach Pigadia wurde erst vor zwei Jahren asphaltiert! Damals, also vor 20 Jahren, hatte ich das Glück, dass mich jemand mit dem Pickup von Olympos nach Pigadia mitnahm, auf der Naturstrasse, ca.50 km... Öfteren Busverkehr gab’s (und gibt’s auch heutzutage) nur in der Hochsaison, das heisst während ein paar Wochen im Jahr. 



Der schönste Berg beim schönsten Dorf...



Olympos: wahrlich das schönste Bergdorf in der gesamten Ägäis!



Und hinter allem steht die Mutter mit dem Kind... 
In Olympos herrscht noch das Matriachat. 
Das heisst, die älteste Tochter erbt den gesamten Besitz der Mutter.




Und genau auf diesem Flecken Erde findet man Griechenland wie es einmal war: ein bisschen unperfekt, etwas schlitzohrig, herzallerliebst und... mit den schönsten Augen! Ein Flecken Erde, an den die Seele immer wieder zurückkehrt. Ich merke das daran, dass ich nun gelegentlich meine, ich würde diese und jene Menschen in meinem Alltag treffen, bis mir bewusst wird, dass diese und jene Menschen auf Karpathos sind und ich schon wieder auf Syros bin. Tja. Da gibt es nur eines, oder?




Abendstimmung. Blick von Olympos in den Westen.


Bis es wieder soweit ist, verbringe ich erst noch ein paar Tage auf der auch schönen Insel Syros, kümmere mich um meine Bäume, bevor mein Aufenthalt in meinem geliebten Ellada sich ehrlich gesagt sehr leider seinem Ende nähert und ich erst einmal wieder zurück in die Schweiz muss. Natürlich werde ich wieder kommen. Aber ist das ein Trost? Zumal dort noch immer kein Sommer in Sichtweite ist! Was die Bäume betrifft, wird eine liebe Bekannte, die ihre restliche Lebenszeit der Natur verschrieben hat, während meiner Abwesenheit wässern. Ich danke von Herzen sehr!

Wen die Sehnsucht gepackt hat und drum auf Karpathos zu wandern es wagen will (5 Männli) kann das mit Barbara im September tun:
http://www.imbach.ch/suche/?buchungscode=wakarp



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fotografien/texte © grüner atem / sandra dominika sutter