Montag, 15. April 2019

Unglaublich und wahr. Und: ein Schiff wird kommen...



Wandern in Wintermontour...

Heuer wird auf Grund von Datenüberschneidungen eine junge Kollegin „meine“ Frühlings-Reise leiten, weshalb ich sie in die Touren einführen sollte. Sie ist halb Griechin, halb Schweizerin, arbeitet wie ich seit vier Jahren bei der gleichen Firma und wohnt sonst in Nafplion, das ist eine schöne Stadt auf dem Peloponnes. Auf eine besondere Art freute ich mich sehr auf die gemeinsamen Tage. Der kykladische Himmel war uns für die Einführung der Wandertouren gerade noch gnädig. Es hat uns zwar fast vom Winde verweht und wir waren eingepackt wie im Winter. Fehlten nur noch die Handschuhe. Aber wir verbrachten durchwegs gute Stunden, wanderten lachend, redend und Geschichten erzählend. Und eine Geschichte, ich hatte sie vergessen und erinnerte mich nur wegen Nafplion daran, ging so:

Vor dreissig Jahren ungefähr, verbrachte ich drei Monate auf Kreta in einem kleinen Dorf bei einer damaligen, ehemaligen Arbeitskollegin die nebenher Reiseleiterin war, allerdings bei einer anderen Firma, wie ich heute arbeite. Ich hütete damals ihre Tochter während dem sie mit Gästen aus der Schweiz wanderte. Wegen dieser drei Monate wurde ich noch jahrelang nachher auf meinen „kretischen Akzent“ angesprochen, was mich mächtig stolz machte. Aber damit ist es leider vorbei, war ich doch zu lange schon nicht mehr auf Kreta zwecks Auffrischung. Ganz davon abgesehen, dass ich momentan eher einen Sprachensalat im Hirn habe und schon ganz glücklich bin, wenn ich fehlerfrei ein paar Sätze aneinanderreihen kann, egal in welcher Sprache... Und überhaupt waren das drei Nebensätze. 


 Frühling...

Jedenfalls, auf meinem Rückweg in die Schweiz wollte ich in Nafplion Halt machen um einen Freund zu besuchen. Die damalige, ehemalige Arbeitskollegin dessen Tochter ich hütete, verabschiedete mich mit Grüssen an eine ihrer Reiseleiterkolleginnen, deren Namen ich schon lange vergessen hatte, Schweizerin, die in Nafplion mit einem Griechen verheiratet wohnte und die ich ebenfalls besuchen sollte. So getan. Allerdings erinnere ich mich nur noch an den abenteuerlichen Heimweg in der Abenddämmerung zu Fuss von dem Haus, das irgendwo in der Nähe der Palamidi Festung – Wahrzeichen Nafplions – war, zurück in die Stadt auf der überdimensionert breitesten Strasse Griechenlands. Zum Glück waren wir zu zweit. Natürlich wurden wir vor wild streunenden „Hunde-Banden“ gewarnt, aber schliesslich war es noch nicht Nacht und wir waren zuversichtlich, die Stadt ohne Schaden zu erreichen. Nun, wir erreichten die Stadt ohne Schaden, aber mit zitternden Beinen einem Kollaps nahe und stürzten uns sofort in eine Eisdiele, um mit Zucker den Schock zu beruhigen und die Erleichterung zu feiern, dass wir von den 10 uns jagenden Hunden nicht gefressen worden waren. Meine junge Kollegin hatte bis hier hin aufmerksam zugehört. Und nun kommt’s: „Bei wem warst du zu Besuch?“, fragte sie. „Da oben gab es nur ein Haus, und das war und ist unseres, dort wohne ich mit meiner Familie.“ 


 ...noch mehr Frühling.



Drei Schätzelis. Sieht man nicht mehr soooo oft.

Für all jene, für die diese Geschichte etwas kompliziert erzählt und schwierig nachzuvollziehen ist: ich war bei der Mutter meiner jungen Kollegin vor 30 Jahren zu Besuch und die Kollegin war damals vielleicht zwei Jahre alt. So. Unglaublich und wahr. Wenn einem DAS nicht zum Staunen bringt, na, dann weiss ich auch nicht.



Mittagsblume, bevor sie sich entfaltet.



Von meinem Wohnzimmer in Ermoupolis sah ich direkt auf den Hafen und konnte beobachten wann welches Schiff mit wem ankam, und wer mit wem wohin abreiste. Nun ja, das ist ein bisschen übertrieben, aber es hört sich gut an, oder?
Jedenfalls sah ich, und das ist wahr, täglich die Bluestar die von Piräus nach Syros – Tinos – Mykonos – und wieder zurück nach Piräus fährt, in den Hafen einfahren und wieder ablegen. Das heisst, von einem Tag auf den andern kam anstelle der Bluestar (blau-gelb mit Stern) die, mit fliegenden Delphinen rot-blaue Hellenic Seaways mit Namen Nissos Mykonos. Auch ein schönes Schiff, einfach anders. Und ich beobachtete, dass sie ab dem ersten Tag jeden Tag ziemlich und bis zu einer Stunde verspätet war. So etwas irritiert total. Wenn man auf der Insel wohnt, gewöhnt man sich an die Schiffe, d.h. sie werden einem sehr persönlich. Es ist ein bisschen wie eine Liebesbeziehung. Ich erinnere mich an die allerliebste Ithaki, auch eine Bluestar. Jahrzehntelang fuhr sie hin und zurück. Ich fuhr auch mit ihr. Dann wurde sie infolge der Krise nach Kanada verkauft. Ein Drama! Auf ihrem letzten Kurs fuhr sie verschiedene Runden in jedem Hafen, inkl. Horn-Konzert. In Ermoupolis versammelte sich die ganze Insel im Hafenbecken, um ihr die Ehre zu erweisen. Man stelle sich das vor! Ein höchst emotionaler Moment. Mir kommen immer noch die Tränen, und es stellen sich mir die Haare auf, wenn ich nur daran denke, dabei war ich gar nicht dabei, sondern liess mir die Geschichte von Einheimischen erzählen. 
Ja, so ist das mit der Insel und ihren Schiffen. Und wenn so ein Schiff plötzlich nicht mehr fährt, vermisst man es, und dann ist die Welt nicht mehr in Ordnung... Und vor allem ist die Bluestar immer pünktlich, ausser es gibt Wetter, also Sturm und Wellen. Und ausserdem wollte ich auch bald vereisen und zwar pünktlich und sowieso mit der Bluestar! Ach...



Die Bluestar in voller Fahrt. 


Unser Reiseagentur-Agent vor Ort lachte. „Seit letztem November ist Hellenic Seaways Bluestar, also aufgekauft, die Schiffe sehen nur noch nicht danach aus; ab letzter Woche gab es Kurswechsel darum fährt jetzt die Nissos Mykonos von Piräus nach Mykonos und wieder zurück...  und ja, da es jetzt keine Konkurrenz mehr gibt, können sie es gemütlich nehmen. Ich denke, das alles ist keine gute Entwicklung.“ Letzteres sagen auch noch andere, aber nicht nur was die Schiffe betrifft. Nur, das ist eine nächste Geschichte.

Nun denn: das Schiff kam irgendwann, und irgendwann sind wir in See gestochen und über’s ruhige Meer getuckert... Man könnte auch sagen, man hat jetzt mehr für das gleiche Geld. Und sicherlich wird man sich an das neue Schiff gewöhnen. Noch schneller, wenn sie den Fahrplan um vielleicht eine Stunde ändern, da das Schiff offenbar chronisch spät kommt. Ti na kanoume, was sollen wir tun, sagen die Griechen und zucken mit den Schultern.



Ja, doch. Sieht auch schön aus... Evt. sogar noch etwas eleganter?...

Gerechterweise muss gesagt werden, dass sie ihr allerbestes gegeben hat und wir nur mit etwa 20 Minuten Verspätung in Piräus ankamen. Das ist der erste Schritt für eine Liebesgeschichte... Und was man ihnen allen auf jeden Fall lassen muss, ob rot-blau oder blau-gelb: die Griechen sind einfach hervorragende Seefahrer! Und natürlich, um es vorweg zu nehmen, manche sehen auch noch gut aus.

sämtliche inhalte dieses blogs unterliegen dem copyright!

 wenn nicht anders vermerkt: 

fotografien/texte © grüner atem / sandra dominika sutter



Sonntag, 10. Februar 2019

Drei Wüstenfüchse und die Sahara auf Syros





Auch wenn das Wetter unbeständig und turbulent war: 
es gab manche wunderschöne Morgen- und Abendstimmung zu bestaunen.

Der kleine Sommer, wie die „Alkyonides Meres“ genannt werden, dauert normalerweise 10 Tage und findet in der Regel im Januar statt. Meine Ferien hatte ich in vollem Vertrauen danach gerichtet. Allerdings hat die Regel auch in Griechenland für einmal eine Ausnahme gemacht und die sommerlichen Tage haben sich auf insgesamt etwa drei einzelne beschränkt. Natürlich wäre es mir nicht im Traum eingefallen, dass mein Aufenthalt im winterlichen Griechenland vom Winde verweht und sich in Regenpfützen sammeln könnte: so viele Wolken, soviel Wind, soviel Sand aus Afrika, und so viel Wasser! Letzteres war sehr erwünscht, hatte die Insel die letzten Jahre doch viel zu wenig davon. Aber tatsächlich war es für mich eine neue Erfahrung NICHT OHNE Regenschirm aus dem Haus zu gehen, wenn überhaupt! Wie auch immer – ich genoss etwas Ferien, und einen kleinen Hüteauftrag von einem schönen Haus und drei Handvoll Katzen. Zudem fühlte ich mich glücklich einen Holzofen zu haben, wusste ich doch aus der Vergangenheit, dass man im schönen Süden viel mehr frieren kann wie im winterlichen Norden. Und ein Blick aufs Meer, die Luft, die auch im Winter fein duftet, das Essen, die Gesellschaft und vieles mehr sind nicht zu verachten und trösten schliesslich über alles hinweg!




Ungewöhnlich: ewige Pfützen... 



Die drei Wüstenfüchse für einmal im Ruhemodus.


Ganz dem Wetter angepasst, grassierten überall Erkältung und Grippe, so erwischte es auch mich irgendwo und irgendwann unterwegs. Dank einer pflanzlichen Arznei aus Kreta in einer ausserordentlich schönen Verpackung kam ich gerade noch gut davon und vegetierte nur etwa drei Tage vor mich hin. Die Freundin, die nach Deutschland fuhr um ihren grossen Geburtstag zu feiern, erwischte es weniger glücklich. Kaum gefeiert, verbrachte sie den Rest ihres Aufenthalts mit Grippe im Bett. Von meinen insgesamt fünfzehn Katzen durften etwa vier „Ladies“ und drei fünfmonatige Kater bei Kälte und Sauwetter mit mir vor dem Ofen hocken. Alle fünfzehn waren wunderbar, einfach ein bisschen gefrässig, vielleicht etwas verwöhnt, ich weiss ja selbst wie das ist mit den schlauen Samtpfoten. Je nach Konstellation hatten sie auch kleinere Streitigkeiten unter sich. Wie im richtigen Leben halt, aber viel direkter. Natürlich versuchten einige, die Situation auszunutzen, ähnlich, wie wenn man in der Schule eine Stellvertretung hat. Man kann’s ja probieren... Und selbstverständlich waren die drei fünfmonatigen Energiebündel, orange „Wüstenfüchse“, herzallerliebst und sehr anhänglich, zudem: Drillinge. Wenn man sehr genau hinschaute, also mit der Lupe, konnte man sie voneinander unterscheiden, zumindest einen von dreien. Der hatte längere Ohr- und kürzere Schnauzhaare, letztere allerdings nur auf einer Seite. Das war „Stony“, weil er sich in einer Steinmauer verkrochen, den Weg zurück alleine nicht schaffte und zwei Tage darin festsass.
Und wenn die Wärme mit dem Holzofen gefühlt etwas knapp war, holte Frau sich kurzerhand ein paar „fluffys“ aufs Sofa, die heizten, noch so klein, wunderbar!




Mit drei "fluffys" lässt es sich gut warm haben.



Eigentlich freute ich mich aufs Wandern, draussen Sein, aufs Jäten und Pflanzen im Chara Zois unserem kleinen Aufforstungsprojekt. Aber an vielen Tagen war da nichts zu machen, wenn man nicht bis auf die Knochen nass werden oder im Schlamm versinken wollte. Es nützte auch nichts zu wissen, dass bei schönem Wetter das Leben im Süden um unglaublich vieles einfacher wäre... „Ipomoni“ hiess also das Zauberwort, „Geduld“! Offenbar gibt’s auch einen gleichbenannten Strauch. Der weiss wie’s geht: alles mit der Ruhe und mit der Zeit... Oder es wie die Griechen machen: zu Hause bleiben oder die Parea, die Gruppe von Freunden, im Kaffeehaus treffen. Ich blieb meist zu Hause und in hartnäckigem Austausch mit dem Himmel: „Wolken teilen“, „Winde beruhigen“, ect.
Eines Tages bot dieser für mich und alle, die schon ein Leben lang auf der Insel wohnen, ein noch nie gesehenes Spektakel. Er färbte sich orange-rot, aber total! Und dann fegte Wind und Regen gefolgt von ein paar Blitzen und Paukenschlägen (was für ein Widerhall, wenn rundherum Meer ist!) übers Land. „Wird es mir das Dach vom Kopf wehen?“ Ich rief eine Freundin an: „Sag... muss Frau sich fürchten?“ „Sand aus der Sahara,“ sagte sie trocken. Die Syrianer mögen dieses Wetter überhaupt nicht, überzieht er doch alles mit einer klebenden, roten Schicht... reizt die Atemwege und verursacht Kopfschmerzen. Wenn man sich vorstellt, wie weit die Sahara von Syros ist, darf man doch sehr wohl beeindruckt sein. Weh hin oder her.




Nein, keine künstliche Verfärbung. Tatsächlich war meine Kamera 
mit den ungewöhnlichen Farben überfordert. 
Man kann es sich also durchaus noch dramatischer vorstellen! 
Die Sahara auf Syros.

Übrigens las ich kürzlich, dass der magnetische Nordpol sich jede Woche einen Kilometer nach Sibirien verschiebt, und niemand wisse warum... Nun gut, wer „niemand“ ist müsste noch untersucht werden, aber das ist eine andere Geschichte. Natürlich ist das nicht ganz das Gleiche, aber für mich gleichermassen beeindruckend, und ich fragte mich, was das wohl für einen Einfluss auf uns Menschen hat ... oder auf Katzen. Die waren bei dem Sturm nämlich total aufgedreht! Die Kleinen fegten an besagtem Tag kreuz und quer durch die Stube, machten aus dem Stand heraus Luftsprünge bis fast unter die Decke, (das würde ich auch gerne können!), rammelten, spielten, und machten alle anderen verrückt, mich inklusive, was einiges Fauchen und Keifen zur Folge hatte... das allerdings erledigten die „Ladies“. Tja. Wenn es Frau zuviel wurde, gab’s für die Wilden immer noch die Tür zur Terrasse. Das konnte auch vorkommen. Schliesslich war mir das eigene Leben auch wichtig.


Eine meiner Neuentdeckungen:
 eine 9-stämmige Palme. Die einzige auf der Insel.



Und ein besonderes Stilleben.


Natürlich konnte ich auch ein paar Stunden Sonne geniessen und den einen oder anderen Spaziergang tun. Auch konnte ich mit Elena, unsere „Bewässerungsengelin“ seit letztem Sommer, rund um die Bäume „Chara Zois“ jäten und zwei Chimonoantho pflanzen. Das sind Winterblüher mit betörendem Duft. „Kalorisiko“, sagen da die Griechen. Das hört sich an wie "gutes Risiko", meint aber: „viel Glück“, was man beim Risiko natürlich auch braucht. Wie ich gerade gelernt habe, stammt das Wort "riza" von "Wurzel" ab... Das passt bei Bäumen natürlich wunderbar!

Bei den Bäumen zu arbeiten macht immer Freude und Sinn. Von Stelios, dem Grundstücknachbarn wurde ich zum Pausemachen und Kaffeetrinken eingeladen und er erzählte mir dabei Geschichten von Ikonenfunden und ihren Wundern. War schön. Natürlich ging mein Aufenthalt in Griechenland selbst bei schlechtem Wetter viel zu schnell vorüber. Trost: ich kehre bald zurück!
Und nein, im Meer gebadet habe ich diesmal nicht... 



 Chara Zois: Bäume gepflanzt für die Flüchtlinge. 
Die zweite von rechts ist ca. 1.75, jene ganz rechts über 2m gross gewachsen!



Chara Zois: Freude! Der Feigenbaum macht Augen und schlägt auch unten aus.



Chara Zois: einer von zwei neu gepflanzten Chimonoantho - Winterblüher.


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fotografien/texte © grüner atem / sandra dominika sutter