Montag, 15. April 2019

Unglaublich und wahr. Und: ein Schiff wird kommen...



Wandern in Wintermontour...

Heuer wird auf Grund von Datenüberschneidungen eine junge Kollegin „meine“ Frühlings-Reise leiten, weshalb ich sie in die Touren einführen sollte. Sie ist halb Griechin, halb Schweizerin, arbeitet wie ich seit vier Jahren bei der gleichen Firma und wohnt sonst in Nafplion, das ist eine schöne Stadt auf dem Peloponnes. Auf eine besondere Art freute ich mich sehr auf die gemeinsamen Tage. Der kykladische Himmel war uns für die Einführung der Wandertouren gerade noch gnädig. Es hat uns zwar fast vom Winde verweht und wir waren eingepackt wie im Winter. Fehlten nur noch die Handschuhe. Aber wir verbrachten durchwegs gute Stunden, wanderten lachend, redend und Geschichten erzählend. Und eine Geschichte, ich hatte sie vergessen und erinnerte mich nur wegen Nafplion daran, ging so:

Vor dreissig Jahren ungefähr, verbrachte ich drei Monate auf Kreta in einem kleinen Dorf bei einer damaligen, ehemaligen Arbeitskollegin die nebenher Reiseleiterin war, allerdings bei einer anderen Firma, wie ich heute arbeite. Ich hütete damals ihre Tochter während dem sie mit Gästen aus der Schweiz wanderte. Wegen dieser drei Monate wurde ich noch jahrelang nachher auf meinen „kretischen Akzent“ angesprochen, was mich mächtig stolz machte. Aber damit ist es leider vorbei, war ich doch zu lange schon nicht mehr auf Kreta zwecks Auffrischung. Ganz davon abgesehen, dass ich momentan eher einen Sprachensalat im Hirn habe und schon ganz glücklich bin, wenn ich fehlerfrei ein paar Sätze aneinanderreihen kann, egal in welcher Sprache... Und überhaupt waren das drei Nebensätze. 


 Frühling...

Jedenfalls, auf meinem Rückweg in die Schweiz wollte ich in Nafplion Halt machen um einen Freund zu besuchen. Die damalige, ehemalige Arbeitskollegin dessen Tochter ich hütete, verabschiedete mich mit Grüssen an eine ihrer Reiseleiterkolleginnen, deren Namen ich schon lange vergessen hatte, Schweizerin, die in Nafplion mit einem Griechen verheiratet wohnte und die ich ebenfalls besuchen sollte. So getan. Allerdings erinnere ich mich nur noch an den abenteuerlichen Heimweg in der Abenddämmerung zu Fuss von dem Haus, das irgendwo in der Nähe der Palamidi Festung – Wahrzeichen Nafplions – war, zurück in die Stadt auf der überdimensionert breitesten Strasse Griechenlands. Zum Glück waren wir zu zweit. Natürlich wurden wir vor wild streunenden „Hunde-Banden“ gewarnt, aber schliesslich war es noch nicht Nacht und wir waren zuversichtlich, die Stadt ohne Schaden zu erreichen. Nun, wir erreichten die Stadt ohne Schaden, aber mit zitternden Beinen einem Kollaps nahe und stürzten uns sofort in eine Eisdiele, um mit Zucker den Schock zu beruhigen und die Erleichterung zu feiern, dass wir von den 10 uns jagenden Hunden nicht gefressen worden waren. Meine junge Kollegin hatte bis hier hin aufmerksam zugehört. Und nun kommt’s: „Bei wem warst du zu Besuch?“, fragte sie. „Da oben gab es nur ein Haus, und das war und ist unseres, dort wohne ich mit meiner Familie.“ 


 ...noch mehr Frühling.



Drei Schätzelis. Sieht man nicht mehr soooo oft.

Für all jene, für die diese Geschichte etwas kompliziert erzählt und schwierig nachzuvollziehen ist: ich war bei der Mutter meiner jungen Kollegin vor 30 Jahren zu Besuch und die Kollegin war damals vielleicht zwei Jahre alt. So. Unglaublich und wahr. Wenn einem DAS nicht zum Staunen bringt, na, dann weiss ich auch nicht.



Mittagsblume, bevor sie sich entfaltet.



Von meinem Wohnzimmer in Ermoupolis sah ich direkt auf den Hafen und konnte beobachten wann welches Schiff mit wem ankam, und wer mit wem wohin abreiste. Nun ja, das ist ein bisschen übertrieben, aber es hört sich gut an, oder?
Jedenfalls sah ich, und das ist wahr, täglich die Bluestar die von Piräus nach Syros – Tinos – Mykonos – und wieder zurück nach Piräus fährt, in den Hafen einfahren und wieder ablegen. Das heisst, von einem Tag auf den andern kam anstelle der Bluestar (blau-gelb mit Stern) die, mit fliegenden Delphinen rot-blaue Hellenic Seaways mit Namen Nissos Mykonos. Auch ein schönes Schiff, einfach anders. Und ich beobachtete, dass sie ab dem ersten Tag jeden Tag ziemlich und bis zu einer Stunde verspätet war. So etwas irritiert total. Wenn man auf der Insel wohnt, gewöhnt man sich an die Schiffe, d.h. sie werden einem sehr persönlich. Es ist ein bisschen wie eine Liebesbeziehung. Ich erinnere mich an die allerliebste Ithaki, auch eine Bluestar. Jahrzehntelang fuhr sie hin und zurück. Ich fuhr auch mit ihr. Dann wurde sie infolge der Krise nach Kanada verkauft. Ein Drama! Auf ihrem letzten Kurs fuhr sie verschiedene Runden in jedem Hafen, inkl. Horn-Konzert. In Ermoupolis versammelte sich die ganze Insel im Hafenbecken, um ihr die Ehre zu erweisen. Man stelle sich das vor! Ein höchst emotionaler Moment. Mir kommen immer noch die Tränen, und es stellen sich mir die Haare auf, wenn ich nur daran denke, dabei war ich gar nicht dabei, sondern liess mir die Geschichte von Einheimischen erzählen. 
Ja, so ist das mit der Insel und ihren Schiffen. Und wenn so ein Schiff plötzlich nicht mehr fährt, vermisst man es, und dann ist die Welt nicht mehr in Ordnung... Und vor allem ist die Bluestar immer pünktlich, ausser es gibt Wetter, also Sturm und Wellen. Und ausserdem wollte ich auch bald vereisen und zwar pünktlich und sowieso mit der Bluestar! Ach...



Die Bluestar in voller Fahrt. 


Unser Reiseagentur-Agent vor Ort lachte. „Seit letztem November ist Hellenic Seaways Bluestar, also aufgekauft, die Schiffe sehen nur noch nicht danach aus; ab letzter Woche gab es Kurswechsel darum fährt jetzt die Nissos Mykonos von Piräus nach Mykonos und wieder zurück...  und ja, da es jetzt keine Konkurrenz mehr gibt, können sie es gemütlich nehmen. Ich denke, das alles ist keine gute Entwicklung.“ Letzteres sagen auch noch andere, aber nicht nur was die Schiffe betrifft. Nur, das ist eine nächste Geschichte.

Nun denn: das Schiff kam irgendwann, und irgendwann sind wir in See gestochen und über’s ruhige Meer getuckert... Man könnte auch sagen, man hat jetzt mehr für das gleiche Geld. Und sicherlich wird man sich an das neue Schiff gewöhnen. Noch schneller, wenn sie den Fahrplan um vielleicht eine Stunde ändern, da das Schiff offenbar chronisch spät kommt. Ti na kanoume, was sollen wir tun, sagen die Griechen und zucken mit den Schultern.



Ja, doch. Sieht auch schön aus... Evt. sogar noch etwas eleganter?...

Gerechterweise muss gesagt werden, dass sie ihr allerbestes gegeben hat und wir nur mit etwa 20 Minuten Verspätung in Piräus ankamen. Das ist der erste Schritt für eine Liebesgeschichte... Und was man ihnen allen auf jeden Fall lassen muss, ob rot-blau oder blau-gelb: die Griechen sind einfach hervorragende Seefahrer! Und natürlich, um es vorweg zu nehmen, manche sehen auch noch gut aus.

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fotografien/texte © grüner atem / sandra dominika sutter



Sonntag, 10. Februar 2019

Drei Wüstenfüchse und die Sahara auf Syros





Auch wenn das Wetter unbeständig und turbulent war: 
es gab manche wunderschöne Morgen- und Abendstimmung zu bestaunen.

Der kleine Sommer, wie die „Alkyonides Meres“ genannt werden, dauert normalerweise 10 Tage und findet in der Regel im Januar statt. Meine Ferien hatte ich in vollem Vertrauen danach gerichtet. Allerdings hat die Regel auch in Griechenland für einmal eine Ausnahme gemacht und die sommerlichen Tage haben sich auf insgesamt etwa drei einzelne beschränkt. Natürlich wäre es mir nicht im Traum eingefallen, dass mein Aufenthalt im winterlichen Griechenland vom Winde verweht und sich in Regenpfützen sammeln könnte: so viele Wolken, soviel Wind, soviel Sand aus Afrika, und so viel Wasser! Letzteres war sehr erwünscht, hatte die Insel die letzten Jahre doch viel zu wenig davon. Aber tatsächlich war es für mich eine neue Erfahrung NICHT OHNE Regenschirm aus dem Haus zu gehen, wenn überhaupt! Wie auch immer – ich genoss etwas Ferien, und einen kleinen Hüteauftrag von einem schönen Haus und drei Handvoll Katzen. Zudem fühlte ich mich glücklich einen Holzofen zu haben, wusste ich doch aus der Vergangenheit, dass man im schönen Süden viel mehr frieren kann wie im winterlichen Norden. Und ein Blick aufs Meer, die Luft, die auch im Winter fein duftet, das Essen, die Gesellschaft und vieles mehr sind nicht zu verachten und trösten schliesslich über alles hinweg!




Ungewöhnlich: ewige Pfützen... 



Die drei Wüstenfüchse für einmal im Ruhemodus.


Ganz dem Wetter angepasst, grassierten überall Erkältung und Grippe, so erwischte es auch mich irgendwo und irgendwann unterwegs. Dank einer pflanzlichen Arznei aus Kreta in einer ausserordentlich schönen Verpackung kam ich gerade noch gut davon und vegetierte nur etwa drei Tage vor mich hin. Die Freundin, die nach Deutschland fuhr um ihren grossen Geburtstag zu feiern, erwischte es weniger glücklich. Kaum gefeiert, verbrachte sie den Rest ihres Aufenthalts mit Grippe im Bett. Von meinen insgesamt fünfzehn Katzen durften etwa vier „Ladies“ und drei fünfmonatige Kater bei Kälte und Sauwetter mit mir vor dem Ofen hocken. Alle fünfzehn waren wunderbar, einfach ein bisschen gefrässig, vielleicht etwas verwöhnt, ich weiss ja selbst wie das ist mit den schlauen Samtpfoten. Je nach Konstellation hatten sie auch kleinere Streitigkeiten unter sich. Wie im richtigen Leben halt, aber viel direkter. Natürlich versuchten einige, die Situation auszunutzen, ähnlich, wie wenn man in der Schule eine Stellvertretung hat. Man kann’s ja probieren... Und selbstverständlich waren die drei fünfmonatigen Energiebündel, orange „Wüstenfüchse“, herzallerliebst und sehr anhänglich, zudem: Drillinge. Wenn man sehr genau hinschaute, also mit der Lupe, konnte man sie voneinander unterscheiden, zumindest einen von dreien. Der hatte längere Ohr- und kürzere Schnauzhaare, letztere allerdings nur auf einer Seite. Das war „Stony“, weil er sich in einer Steinmauer verkrochen, den Weg zurück alleine nicht schaffte und zwei Tage darin festsass.
Und wenn die Wärme mit dem Holzofen gefühlt etwas knapp war, holte Frau sich kurzerhand ein paar „fluffys“ aufs Sofa, die heizten, noch so klein, wunderbar!




Mit drei "fluffys" lässt es sich gut warm haben.



Eigentlich freute ich mich aufs Wandern, draussen Sein, aufs Jäten und Pflanzen im Chara Zois unserem kleinen Aufforstungsprojekt. Aber an vielen Tagen war da nichts zu machen, wenn man nicht bis auf die Knochen nass werden oder im Schlamm versinken wollte. Es nützte auch nichts zu wissen, dass bei schönem Wetter das Leben im Süden um unglaublich vieles einfacher wäre... „Ipomoni“ hiess also das Zauberwort, „Geduld“! Offenbar gibt’s auch einen gleichbenannten Strauch. Der weiss wie’s geht: alles mit der Ruhe und mit der Zeit... Oder es wie die Griechen machen: zu Hause bleiben oder die Parea, die Gruppe von Freunden, im Kaffeehaus treffen. Ich blieb meist zu Hause und in hartnäckigem Austausch mit dem Himmel: „Wolken teilen“, „Winde beruhigen“, ect.
Eines Tages bot dieser für mich und alle, die schon ein Leben lang auf der Insel wohnen, ein noch nie gesehenes Spektakel. Er färbte sich orange-rot, aber total! Und dann fegte Wind und Regen gefolgt von ein paar Blitzen und Paukenschlägen (was für ein Widerhall, wenn rundherum Meer ist!) übers Land. „Wird es mir das Dach vom Kopf wehen?“ Ich rief eine Freundin an: „Sag... muss Frau sich fürchten?“ „Sand aus der Sahara,“ sagte sie trocken. Die Syrianer mögen dieses Wetter überhaupt nicht, überzieht er doch alles mit einer klebenden, roten Schicht... reizt die Atemwege und verursacht Kopfschmerzen. Wenn man sich vorstellt, wie weit die Sahara von Syros ist, darf man doch sehr wohl beeindruckt sein. Weh hin oder her.




Nein, keine künstliche Verfärbung. Tatsächlich war meine Kamera 
mit den ungewöhnlichen Farben überfordert. 
Man kann es sich also durchaus noch dramatischer vorstellen! 
Die Sahara auf Syros.

Übrigens las ich kürzlich, dass der magnetische Nordpol sich jede Woche einen Kilometer nach Sibirien verschiebt, und niemand wisse warum... Nun gut, wer „niemand“ ist müsste noch untersucht werden, aber das ist eine andere Geschichte. Natürlich ist das nicht ganz das Gleiche, aber für mich gleichermassen beeindruckend, und ich fragte mich, was das wohl für einen Einfluss auf uns Menschen hat ... oder auf Katzen. Die waren bei dem Sturm nämlich total aufgedreht! Die Kleinen fegten an besagtem Tag kreuz und quer durch die Stube, machten aus dem Stand heraus Luftsprünge bis fast unter die Decke, (das würde ich auch gerne können!), rammelten, spielten, und machten alle anderen verrückt, mich inklusive, was einiges Fauchen und Keifen zur Folge hatte... das allerdings erledigten die „Ladies“. Tja. Wenn es Frau zuviel wurde, gab’s für die Wilden immer noch die Tür zur Terrasse. Das konnte auch vorkommen. Schliesslich war mir das eigene Leben auch wichtig.


Eine meiner Neuentdeckungen:
 eine 9-stämmige Palme. Die einzige auf der Insel.



Und ein besonderes Stilleben.


Natürlich konnte ich auch ein paar Stunden Sonne geniessen und den einen oder anderen Spaziergang tun. Auch konnte ich mit Elena, unsere „Bewässerungsengelin“ seit letztem Sommer, rund um die Bäume „Chara Zois“ jäten und zwei Chimonoantho pflanzen. Das sind Winterblüher mit betörendem Duft. „Kalorisiko“, sagen da die Griechen. Das hört sich an wie "gutes Risiko", meint aber: „viel Glück“, was man beim Risiko natürlich auch braucht. Wie ich gerade gelernt habe, stammt das Wort "riza" von "Wurzel" ab... Das passt bei Bäumen natürlich wunderbar!

Bei den Bäumen zu arbeiten macht immer Freude und Sinn. Von Stelios, dem Grundstücknachbarn wurde ich zum Pausemachen und Kaffeetrinken eingeladen und er erzählte mir dabei Geschichten von Ikonenfunden und ihren Wundern. War schön. Natürlich ging mein Aufenthalt in Griechenland selbst bei schlechtem Wetter viel zu schnell vorüber. Trost: ich kehre bald zurück!
Und nein, im Meer gebadet habe ich diesmal nicht... 



 Chara Zois: Bäume gepflanzt für die Flüchtlinge. 
Die zweite von rechts ist ca. 1.75, jene ganz rechts über 2m gross gewachsen!



Chara Zois: Freude! Der Feigenbaum macht Augen und schlägt auch unten aus.



Chara Zois: einer von zwei neu gepflanzten Chimonoantho - Winterblüher.


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Freitag, 17. November 2017

Beijos e abraços – und der Tanz mit dem Meer





Ein Paradies auf Erden. 
Die Westliche Algarve bei der Rota Vincentina.



Ja, ich hatte Vorbehalte*. Wegen dem Tourismus (man/frau erträgt ja nicht ganz alles... ich sage nur: 20 Mio. Touristen im Jahr...) aber vor allem wegen der Sprache. Mein Chef blieb stoisch, sagte, ich bräuchte kein Portugiesisch (nun ja, ich spreche auch kein Italienisch oder Spanisch... aber das ist ein Detail) und meinte zudem trocken „Ich finde, du solltest deinen Horizont Richtung Westen öffnen.“ Ich hörte sehr wohl, dass dieser Satz nicht von irgendwoher kam. Schon einmal erging es mir so und das nämlich mit Syros. Wenn es nach mir gegangen wäre, damals, hätte ich niemals einen Fuss dorthin gesetzt, also nach Syros. Es mussten andere Kräfte ans Werk, um mich auf die Insel zu holen. Gott sei Dank, kann man an dieser Stelle sagen, geht nicht immer alles nach dem eigenen Kopf oder den eigenen Wünschen. Also sagte ich meinem Chef für die Westliche Algarve zu, was hiess: eine Woche Einführung, zwei Wochen Leitung, Grossgruppe, für mich das erste Mal, also max. 25 Gäste. „Wie eine Schulklasse“ hörte ich derweil, wenn ich es jemandem erzählte, der oder die darin Erfahrung hatte. 




Die westliche Algarve wird auch Küstenalgarve genannt, 
auf Grund ihrer teils bizarren Felsformationen. 


Ich wurde ein bisschen aufgeregt je näher der Termin rückte, spürte abwechselnd Freude und bedrohlichen Schwindel. Und natürlich büffelte ich Portugiesisch. Ich bekam einen guten Internet-Sprachkurs empfohlen und hatte während des Lernens Spass wie schon lange nicht mehr. Ich übersetzte Wörter in alle möglichen und unmöglichen Richtungen, und kam zum Schluss: diese Sprache zu erlernen ist schwieriger wie Griechisch! Manchmal ertönte die Fanfare, dann hatte ich es gut getroffen, dann wieder ertönte, Entschuldigung, eine Art „Furz“, was hiess: daneben. Auf jeden Fall versicherte mir das Programm kurz vor Abreise mein Portugiesisch sei schon bei 49%! Ich war mächtig stolz. 


Die berühmten Kacheln von Portugal, mit typischen Motiven.


Bereits der Anflug auf Faro war spektakulär. Ich sass auf der richtigen Seite, hatte somit eine Prachtaussicht auf die Haff-Landschaft in dieser Gegend und war schon das erste Mal fasziniert. In meiner Spontanität stellte ich mich auch gleich dem Bus-Chauffeur vor, der uns, Gruppe und die Reiseleiterin die auch mich einführte, von Faro nach Lagos fuhr. Ich ging davon aus, dass ich denselben Fahrer haben würde, zudem Englisch sprechend. War so abgemacht, von Büro zu Büro. José aber schüttelte den Kopf und wehrte mit den Händen ab, Nein, nicht Fahren und Nein, kein Englisch. Wir waren dann doch drei Wochen miteinander unterwegs. Selbstverständlich sprach er Englisch, aber mit mir hauptsächlich Portugiesisch. Eigentlich verstand er auch Deutsch und Französisch, Spanisch und Italienisch. Gute Chauffeure verstehen auf wundersame Weise irgendwie (fast) alle Sprachen.

Das Hotel in dem wir wohnten war top! Trotz der vielen Zimmer und der Weitläufigkeit. Und ich merkte einmal mehr, dass ich überaus gerne in Hotels wohne. Der Wohnbereich ist übersichtlich und es wird für einem gesorgt. Nur wenn durch alle Wände hindurch bis in mein Zimmer hinein geschnarcht wird, das schätze ich nicht sehr. Aber das ist eine griechische Geschichte.



Nicht nur, aber zum grossen Teil kommt der Kork aus Portugal. 
Hochwertiger Kork, zum Beispiel für Champagner, wird nach 50 
Jahren zum ersten Mal geerntet und in der Regel alle 9 Jahre.


Im Tivoli Lagos hat niemand geschnarcht, respektive die Wände waren dick genug. Im Gegenteil, mein Schlaf wurde begleitet vom rauschenden Meer, besonders von der Flut und geweckt wurde ich die erste Woche mit dem Duft von frischgebackenen Gipfelis und alle drei Wochen von den Schreien der Möwen. Wunderbar. Einmal aufgestanden und auf den Balkon getreten atmete ich die köstlichste Luft, die ich jemals in die Nase bekommen habe: eine Luft angefüllt mit dem Duft der Lackzistrose. Paradiesisch! Die Zistrose kenne ich von Griechenland und auch dort duftet sie betörend. Nur, die Intensität dieses Duftes der Algarve ist unübertrefflich. Vielleicht ist es eine Behauptung. Auf jeden Fall war es so. Ausserdem habe ich drei Wochen lang hervorragend gegessen, hauptsächlich Fisch. Sei es auswärts oder im Hotel mit Buffet. Portugiesen essen, so wird gesagt, pro Kopf ungefähr 75 kg Fisch im Jahr. Mit meinen drei Wochen kann ich, aufs Jahr hinaus über den Daumen gerechnet, mithalten! Man stelle sich dazu die Vielfalt vor oder auch nicht, je nach eigener Geschmacksrichtung. 



Es war lecker!!! Gourmet-Küche Algarve.


Also ich war sofort sehr angetan. Von allem. Dieser Stern, der als Seefahrernation zur Weltmacht aufstieg, sich im Sklavenhandel unrühmlich verhielt und in langsamen Fall wieder zu Boden stürzte nahm mich total in seinen Bann. Und von einem übermässigen Tourismus spürten wir in diesem Teil der Algarve auch nicht sehr viel. Innerlich erhob sich fast unmittelbar schüchtern und leise ein „Aber...“ als wenn es gespürt hätte, dass eine Art Bedrohung nahte. Es hatte keine Chance. Die Begeisterung stieg von Tag zu Tag, ohne dass etwas Spektakuläres passiert wäre. Mit jedem weiteren Blick aufs Meer, auf die Wellen, die Küsten oder das Buffet, mit jedem Atemzug, mit jedem Gruss der Möwen wuchs die Freude ins Unhaltbare. Tja, und was das Portugiesische betrifft: ich merkte schon am ersten Abend, dass diese Portugiesen etwas ganz Anderes sprechen, als ich gelernt hatte, bezweifelte das Sprach-Programm und fragte mich verzweifelnd von was denn 49%! Meine Irritation und Verunsicherung waren nicht zu verdrängen. Da passierte etwas Unerwartetes: ES überliess beides der Heiterkeit. Und?
...es funktionierte! 




Gewagte Architektur: Seitenprofil eines Stadthauses in Lagos.



 Schöne Strassenkunst. Fassade und Werk.


Die Einführungswoche ging zu Ende und gleichzeitig meine Kamera kaputt. Staub/Sand und automatische Zooms vertragen sich schlecht, das heisst gar nicht. Ich konnte nichts machen. Immerhin, die Choreographie war perfekt, hatte ich doch gerade noch alle Wanderungen dokumentieren können. Die Reiseleiterin und die Gruppe reisten ab und überliessen mich meinem Schicksal. Die neuen Gäste kamen und... liessen sich anstecken und mitreissen, in diesen Strom von greifbaren und unsichtbaren Herrlich- und Köstlichkeiten. Und so nahmen wir - denn man kann auch wandernd surfen - Welle um Welle die ganze Woche lang. Der volle Mond zeigte sich gross und majestätisch in seinen schönsten Farben als Auftakt zu einer unvergesslichen Reise. Wir wanderten tagsüber, er wanderte Nacht für Nacht über lange Sandstrände, wilde Küstenabschnitte und ein weites offenes Meer.  





Die westliche Algarve ist ein Surferparadies. Hier war es gerade nicht so, aber meist lagen die Cracks im Wasser und warteten mit ihren Brettern auf die Wellen wie die Haifische aufs Fressen. Wir hattens da einfacher: wir surften wandernd und ohne nass zu werden oder in die Wellen zu stürzen.


Dann wurde er unförmig, der Mond, und die zweite Gruppe stand bereits da, bevor die erste richtig verabschiedet werden konnte. Eigentlich wäre genug Zeit gewesen für beides – also, die erste Gruppe in Ruhe verabschieden und die zweite in Ruhe erwarten. Zum Glück sind wir überpünktlich losgefahren und immerhin ein paar Meter weit. Aber offenbar wollte jemand noch nicht richtig nach Hause, denn unser Bus blieb in der Hotelausfahrt wegen eines falsch parkierten Autos stecken. Erst wurde in Millimeter-Arbeit probiert, vielleicht doch noch um die Kurve zu kommen. Dann hupten wir, in der Hoffnung, der Autobesitzer möge es hören und erscheinen. Dann riefen wir die Polizei. Immerhin, diese erschien in kurzer Zeit: 1 Polizist auf Töffli. Er wusste auch nicht so recht was tun, und notierte sich die Autonummer. Schliesslich hoben wir den Wagen hoch und stellten ihn die wenigen Zentimeter die noch blieben an den Randstein. Nützte auch nichts. Nach fast dreiviertel Stunden kam die Dame endlich, etwas irritiert ob des ganzen Aufhebens. Wir kamen gerade noch rechtzeitig zum Flughafen und die Gruppe auf ihren Flug. Womit ich allerdings nicht gerechnet hatte, dass ein Flug auch mal früher ankommen könnte, zum Beispiel zwanzig Minuten. Ich hatte gerade noch Zeit mir die Schweissperlen von der Stirn zu wischen und ein Pastel de Nata (Sahnetörtchen, unglaublich lecker!) mit einem Espresso hinunter zu spülen, was dem Sahnetörtchen allerdings und leider nicht gerecht wurde, und schon standen sie komplett da, die neuen Gäste. „Wenn das Tempo so weiter geht,“ dachte ich mir, „bin ich morgen schon wieder zu Hause!“ 

Gott sei Dank ging’s dann doch nicht so schnell. Das erste gemeinsame Abendessen am herrlichen Hotel-Buffet hat schliesslich, so könnte man sagen, das Tempo und auch die 800 Schritte bis zum Zimmer und die 1000 bis zum Esssaal versöhnt.




Der schöne Heinrich, war nur einmal auf einem Schiff, 
und doch der wichtigste Wegbereiter damit Portugal 
zur Seefahrernation und Weltmacht wurde. 
Er sitzt in Lagos und schaut aufs Meer.


Und auch diese Woche wurde wie auch schon: die Gäste waren wunderbar und liessen sich begeistern. So nahmen wir wiederum eine Welle nach der Anderen. Und jede nächste war noch schöner wie die vorangehende! 


Natürlich gab es in den drei Wochen auch Zwischenfälle. Eine Kundin mit verlegter, verlorener, gestohlener auf jeden Fall unauffindbarer Identitätskarte, ein - noch einmal: "Gott sei Dank!" - glimpflicher Sturz gleich bei der Ankunft, und eine andere Kundin die wegen einem Todesfall in der Familie am zweiten Tag wieder in die Schweiz zurückreiste. Ich liess mir sagen: "Alles ganz normal und wie im richtigen Reiseleiterinnen-Leben."





Immer wieder von Neuem herrlichst-wunderbar: 
das Meer, die Küste, der Himmel und überhaupt!


Ja, und dann kam auch für mich der Tag des Abschieds und damit der Fado (der portugiesische Blues). Hier ist die Stimmung und nicht der Musikstil gemeint. Wie man mit der Saudade (Inhalt dieses Blues) fertig wird, ist noch nicht genügend erforscht. In der Vergangenheit wusste mein geliebtes Ellada mit solchen Situationen gut umzugehen. Und so reiste ich nach einem kurzen Stopp in der Schweiz, zwecks Wäsche waschen und umpacken, nach Andros. Dort wollte ich zusammen mit einer Freundin diverse Wanderungen ablaufen für eine neue Reise im nächsten Jahr. Zu meiner Erschütterung musste ich jedoch feststellen, dass Griechenland nicht per se ein Allheilmittel ist. Vor allem, wenn man aus dem algarvischen Sommer kommt und in einem früh-winterlichen Griechenland landet. Ausgerechnet mir muss das passieren!

Noch so ein Rätsel: in der Algarve hatte ich drei Wochen lang nicht eine Mücke zu Gesicht bekommen! In Griechenland aber fressen sie einem schon auf, bevor man richtig da ist...

Und wie es mir auf Andros trotz Fado und Saudade ergangen ist? Das ist dann die Geschichte eines anderen Blogs.

*Wandern für Imbach in der Algarve


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Sonntag, 26. Februar 2017

"Wo bin ich?" und andere kleine Geschichten



 

Abendstimmung, Amorgos.



Die Schiffsfahrpläne in Griechenland sind für unsereins derweil etwas gewöhnungsbedürftig. Wenn man also auf einer Insel wohnt, ist es bei einer grösseren Reise durchaus möglich, dass man mitten in der Nacht abfährt oder ankommt. 
Mit einiger Verspätung also fuhr unsere Bluestar Ende Oktober gegen 21.00 Uhr von Syros in die Nacht nach Amorgos. Die Fahrt aus dem Hafen hat mich seltsam berührt, nicht nur, weil es auch der Abschied von der Insel war. Ermoupolis, die Königin der Kykladen, präsentierte sich in einem Bild, das ich so noch nie gesehen hatte, weil ich gewöhnlich in eine andere Richtung fahre, und entschwand allmählich majestätisch im nächtlichen Lichterglanz... ein feierlicher, auch melancholischer Moment.

Wegen dem verlängerten Wochenende (Ochi-/Nein-Tag) war das Boot bis Naxos gut besetzt, dann entleerte es sich bis auf ein paar Handvoll müde Menschen. 

Nach Amorgos wollte ich schon lange gern einmal, wegen dem schönen Kloster das dort am Felsen "klebt". Zusammen mit einer Gruppe aus Syros, sprich, einer Familie mit zwei Buben und weiteren zwei Frauen, war ich einem Aufruf zum Bäume pflanzen und Wanderwege putzen gefolgt und deshalb gespannt, was mich erwartete. 

Wir kamen frühmorgens um drei Uhr in Aigiali, einem der zwei Häfen, an. Der Hotelbus holte uns, weitere Freiwillige und eine Gruppe Gäste ab und fuhr uns zur Unterkunft, einem schicken Hotel-Spa mit herrlichster Aussicht. Tatsächlich hatte ich keine Ahnung und habe mir nachts um halb vier die Augen gerieben und mich verwundert gefragt: "Wo bin ich?" 
  





Blick vom Hotel auf Aigiali.



Blick vom Frühstückstisch auf's Meer - nur bei trockenem Wetter.

Insgesamt waren wir um die 30 Volontäre. Die meisten waren Studenten aus Athen. Davon wiederum die meisten Frauen. Unsere Gruppe aus Syros und noch zwei, drei andere Frauen waren die Ältesten, die beiden Kinder die Jüngsten. Ich war die einzige Ausländerin. Abgesehen vom Initiator, einem Franzosen, der auf Amorgos lebt. Die Insel verlor den Grossteil seiner Eichenwälder bei einem Feuer im 19.Jh. Der Franzose ist schon seit ein paar Jahren dabei, mit Hilfe von Freunden und eben Freiwilligen, das Gebiet wieder aufzuforsten. Unterkunft und Mahlzeiten waren für alle Volontäre offeriert. Gefrühstückt wurde am Strand in einem kleinen Café. Fürs Mittagessen in der Natur gabs ein Catering, d.h. eine warme Mahlzeit und Salat, Abendessen entweder im Hotel oder in einer Taverne wie richtig: mit Vor-, Haupt- und Nachspeisen. Ich habe mir immer wieder die Augen gerieben und mich verwundert gefragt: "Wo bin ich?"



Mittagessen in der Natur. War lecker!

Wir haben also reichlich gegessen und getrunken. Jeder Abend wurde zu einem Fest, mit Musik und Tanz bis in die frühen Morgenstunden - für jene die wollten oder konnten. Ich konnte bis höchstens ein Uhr, und war jene, nebst der Familie, die am frühesten ging. In einer Taverne, das war noch vor Mitternacht, wurden sogar Teller zerschlagen. Das war ein Bild! Leider hatte ich keinen Fotoapparat dabei. Also muss man es sich so vorstellen: ein grosser Raum der gleichzeitig Taverne und Lebensmittelladen ist. Mit Tischen und Stühlen, mit Auslagen von Gemüsen und Früchten, Gestelle mit Eingemachtem, Papeterieartikel, Waschmittel, offene Säcke mit Getreide, die Wände voll Bilder und anderem Gehänge, usw. Diese Atmosphäre allein war schon filmreif. Dazu: zwei Musiker mit Geige und Gitarre. Ein Mann tanzte. Die Taverne bis auf den letzten Platz gefüllt. Es wurde gegessen, getrunken, geredet, gesungen, geraucht. Die Wirtin, Mitte fünfzig vielleicht, evt älter, kleingewachsen, etwas rundlich, packte einen Stapel Teller und schlug einen um den anderen auf den Boden - stoisch und ohne eine Miene zu verziehen. Eine Woge begeisterter Zurufe und Applaus begleitete sie.  
Und ich habe mir die Augen gerieben und mich verwundert gefragt: "Wo bin ich?" 



Einer von wenigen Eichenbäumen.



Von mir aus hätte ich keine Tafel angebracht. Aber es gehörte zum Projekt. 
Nun, es ist doch auch schön, eine "Chara Zois"-Eiche auf Amorgos wachsen zu wissen,
eine "Aussenstation" zum kleinen Aufforstungsprojekt "Chara Zois" Syros sozusagen.
Und wenn die Bäume gross genug sind, können sie übers Meer hinweg miteinander kommunizieren.



Was das Pflanzen der Bäume betraf: wir haben viele Eicheln und Mandelkerne vergraben, und ein schönes (langes) Stück Weg freigemacht. Und doch, für die einigermassen organisierte und schaffige Schweizerin war es etwas chaotisch und  derweil eine Geduldsprobe, und ich gestehe, ich habe nicht immer bestanden. Natürlich kann man es auch so sehen: wichtig ist, dass die Leute da waren, und eine gute Zeit hatten in der auch einiges erreicht wurde. Weil: das Erlebte ist der Samen, der in Zukunft gedeiht. Allerdings: als ich kürzlich die Kinder wiedersah und fragte, ob sie sich an Amorgos erinnerten, schwärmten sie vom köstlichen Frühstück und dem schönen Hotel...

Und wer sich nun fragt: wer bezahlte das alles (Unterkunft, Essen, Material usw.)? Leider liess es sich nicht ganz klären und bleibt deshalb ein Mysterium. Ich weiss, dass in Griechenland (auf legale Weise - einfach, damit keine Missverständnisse entstehen) vieles machbar ist, was in unseren Landen als unmöglich erscheint, habe ich ja selbst erlebt. Also: persönliches Sponsoring oder Mäzenatentum, Unterstützung durch pure Begeisterung, etc.




Ein Bild wie richtig in Griechenland: Esel auf Amorgos.

Einerseits leider, hat uns das Wetter um die Wanderung am letzten Tag gebracht. Also habe ich das Kloster nicht gesehen und muss deshalb eines Tages wiederkommen. Andererseits war es fast magisch, dass, kaum hatten wir die letzte Eichel vergraben, ein leichter Regen fiel. 
 
Aber auf jeden Fall habe ich ansatzweise eine neue Insel kennengelernt und sie gefällt mir. Ich habe eine gute Zeit erlebt mit Leuten die ich schon kannte und mit solchen, die ich noch nicht kannte. Es war alles ganz anders, als ich mir vorgestellt hatte, und das hat meinen Horizont um ein vielfaches in verschiedene Richtungen erweitert. Von daher gesehen war es ein voller Erfolg. Und was aus den vielen Samen wird, wird die Zukunft zeigen.


 

Mit diesem Bild wollte ich nicht für die weiteren 2 Nächte erwachen...

 
Bevor ich zurück in die Schweiz flog, hatte ich noch ein paar Tage in Athen. Airbnb, das ich zum ersten Mal versuchte, ging total in die Hosen. War auch mein Fehler, ich hatte zu spät gebucht und die besseren Angebote waren halt schon weg. Nur, dass es noch schlimmer sein könnte, wie ich geahnt hatte, das hatte ich nicht erwartet. Ich rieb mir die Augen, fragte mich "wo bin ich?" und zog nach der ersten Nacht in ein mir bekanntes Hotel. 



Gut geschlafen und ein tolles Frühstück: alles wieder i.O.



Der Rest des Aufenthaltes war einwandfrei! Nach mehreren Jahrzehnten fuhr ich wieder einmal nach Sounion. Es war ein Prachttag! Milde Temperaturen, herrlichster Sonnenschein, sanfte Brise. Das bestätigte mir auch das Personal vor Ort, als ich davon schwärmte, was für einen schönen Arbeitsplatz sie haben. "Du hast es gut erwischt!" sagten sie. "Ganze vier bis fünf Tage im Jahr hat es hier keinen Wind. Und stell dir vor wie es im Sommer ist, bei 40 Grad, und mehr!"


 

Sounio - ein sagenhafter Platz, heiliger Flecken Erde!



Auf dem Rückweg stieg ich beim Vouliagmeni-See aus und liess die vielen Fischchen an meinen Beinen und Füssen knabbern, schaute dem Bienenfresser zu, wie er dem Felsen entlang über die Wasseroberfläche flitzte, und plauderte mit ein paar älteren Ladies, die regelmässig dort baden. War schön.





War eine spezielle Erfahrung - die erste Viertelstunde musste ich mich gehörig 
zusammenreissen, derart kitzelten die kleinen Münder an den Beinen.

 
Dann reiste ich in die Schweiz zurück und kam sozusagen pünktlich zum Winteranfang. Nicht, dass ich das gewünscht hätte. Immerhin waren noch nicht alle Blätter zu Boden gegangen und ich konnte die letzte Farbigkeit des Herbstes für ein paar Momente geniessen. Immerhin war noch kein Schnee zu schaufeln und immerhin habe ich ab und zu auch ein bisschen blauen Himmel gesehen und ein paar Sonnenstrahlen auf dem Gesicht gespürt. Und immerhin erfror ich nicht ganz, jedenfalls nicht sofort. Eine heftige Erkältung hatte mich unmittelbar nach Ankunft unter mehrere Schichten von Bettdecken gelegt. Mit kräftig eingeheiztem Holzofen in der Wohnung und somit geschätzten 25 Grad, liess es sich aushalten. Auch das hatte ich mir nicht vorgestellt. Aber immerhin, so war es schön und wohlig warm! 

Und so liess sich auch gut Radio hören. Zum Beispiel, was man mit alten Währungen anstellen soll. Die Drachme ist natürlich nix mehr wert, und kann nur noch entsorgt werden, sagten sie. Aber DM oder Schilling sind auf unbeschränkte Zeit umtauschbar (ach ja?). Anderes wertloses Geld gehört zum Altmetall, sofern es sich um Münzen handelt, und in den Abfall, wenn es Noten sind. Und was den Klimawandel überhaupt, aber auch jenen in der Schweiz betrifft, sollten mehr Bäume gepflanzt werden, auch das sagten sie.

 
Und dann rieb sich die Welt die Augen und schaute ab sofort nur noch nach Amerika - auch von der Schweiz aus schauten wir und diskutierten tagaus, tagein und tun das noch immer. Währenddem hierzulande der Ceo der Schweizerischen Bundesbahnen zum Beispiel - (kein privates Unternehmen) - ein jährliches Vermögen in Millionenhöhe verdient. Und dass er zudem in einem (inzwischen nun schon vor ein paar Monaten) erschienen Interview-Artikel einer renommierten Zeitung zum Thema "Mobilität der Zukunft" sieben Mal das Wort "selbstfahrend" erwähnte, scheint etwas völlig normales zu sein und niemanden zu stören: selbstfahrende Busse, selbstfahrende Autos, selbstfahrende Züge. Manchmal wünsche ich mir mehr Streikkultur in der Schweiz. Viel mehr!



 Natürlich finde ich so eine Winterimpression auch 
überaus schön! Wenn's nur nicht so kalt wäre...


Der Winter nahm seinen Lauf. Es ist ein bisschen seltsam, aber irgendwie so scheints mir, werde ich in der Schweiz wie "aufgefressen" mit Verschiedenem und natürlich dem Broterwerb. Weil, eigentlich wollte ich den Blog über Amorgos schon Anfang November schreiben. Aber irgendwie war keine Zeit. Zudem habe ich hauptsächlich gefroren, inkl. vier Erkältungen, was die Motivation zum Schreiben auch nicht wirklich erhöht. Zwecks "auftauen" und einige Bäume neu pflanzen (Aufforstungsprojekt Chara Zois) reiste ich anfang Februar nach Syros. Nach ersten drei angenehmen Tagen kehrte auch hier der Winter zurück, an "auftauen" war nicht mehr zu denken, die Temperatur sank mit heftigem Nordwind auf gefühlte 3 Grad

Als ich meine Griechisch-Lehrerin nach ihrem Winter fragte, platzte sie heraus: "Krio - kalt! Und wir sind alle müde davon. Wir können nichts anderes mehr denken. Wir funktionieren gar nicht mehr richtig. Immer diese Kälte." Auch andere reagierten so. Im Bioladen sassen Inhaber und Angestellter wie zwei Häufchen, die Hände um eine Tasse heissen Tee gelegt. Das heisst, eigentlich sah es mehr danach aus, als wäre die heisse Tasse die letzte Hoffnung. Für viele war dieser Winter eine zusätzliche Herausforderung zu all den Schwierigkeiten die sie schon haben. Wer sich eine warme Stube leisten konnte, tat das. Verschiedene Freunde bemerkten allerdings: "Der Holzhändler war ausverkauft... Nächste Woche wieder, vielleicht, aber wahrscheinlich nicht so gutes Holz." Nur Christos der Gärtner (bereits pensioniert) vom Haus in dem ich wohne, meinte: "Kalt? Ach was. Wenn man am Morgen nicht zur Arbeit MUSS, bleibt man halt etwas länger im warmen Bett liegen." Aber als er das sagte, war die Temperatur schon wieder weit über zehn Grad gestiegen.

Meine kleinen Freunde habe ich voll Zuversicht Ende Oktober verlassen und erlitt einen Schock, als ich sie wieder sah. Wasser hatten sie durch Regen genug bekommen, aber die aussergewöhnlich kalten und heftigen Nordwinde hatten sie total zerzaust und mitgenommen. Es war mir nur ein kleiner Trost, dass auch viele grosse Bäume und Sträucher genau so aussahen, wie die meinen.

 

Niko's Hund Josiph - immer mit dabei! Hier in der 
Gärtnerei mit ausgesuchten neuen Pflanzen.


Nikos, unser Mann der ersten Stunden, ehemaliger Gemeindepräsident nun pensioniert, leidenschaftlicher Gärtner und Naturfreund, sagte lachend: "Min anisichis! Mach dir keine Sorgen! Im Frühling wirds hier eine Pracht sein!" Später meinte er aber doch, dass es immer einige Bäume geben wird, die es nicht schaffen, aus welchen Gründen auch immer. Jedenfalls wechselten wir, ein kleines Grüppchen helfende Hände, ein paar Zypressen aus, die schon im Sommer gelitten hatten und ergänzten zudem mit Tamarisken, Johannisbrotbäumchen und Mirtia. Und das war ein Freudentag! Seither gehts auch mir wieder besser.



 Pflanzaktionstag mit helfenden Engeln!
 


Ein bisschen warm, ein bisschen Sonne, ein bisschen feucht 
- und schon beginnts überall zu spriessen, zu blühen und zu duften.
Schöne Alraune.



Ich hatte eine Samenmischung mit allerlei Blumen. Und siehe da: in einer Woche schafften sie es, durch die Erde zu kommen! Wahrscheinlich Sonnenblumen.



Robuster Strauch-Schneckenklee, ziemlich unbeeindruckt von Wetterverhältnissen.



Was das wohl sein kann? Eine Schönheit, die ich noch nicht kenne. 



Den Tamarisken gefällt es am Besten!

Zur allgemeinen Erleichterung wurde es irgendwann doch wieder etwas wärmer. Tatsächlich hatten wir sogar zwei, drei Frühlingstage - die ganze Insel atmete auf, strahlte in freudigem Glanz und alle waren gut gelaunt! Ich wagte es sogar ins Meer zu steigen und mich neu gebären zu lassen. War echt kalt, aber es ist immer noch etwas vom fantastischsten, was frau/man tun kann! Vorausgesetzt man hat ein windgeschütztes Sonnenplätzchen, wo man sich anschliessend aufwärmen kann!
 
Nun ist meine diesmal doch recht kurze Zeit auf der Insel schon fast wieder um. Letzten Freitag, als ich mit einer Freundin Bäume giessen und jäten war, wollte ich meine kleinen Freunde gar nicht mehr verlassen, denn es fühlte sich so an, als wäre es jeden Moment soweit, dass sie aus allen Poren zu spriessen, zu wachsen, zu blühen beginnen! Und DAS will man nicht verpassen, oder? Die Freundin versprach mir, Fotos zu machen, wenn's soweit ist - immerhin. 

Der lokalen Streikagenda nach sollte ich es am 2.3. (zwischen zwei Streiktagen) mit den öffentlichen Verkehrsmittel gerade noch an den Flughafen Athen schaffen, und somit zurück in die Schweiz. Ein bisschen leider, wie gäng, und wie gesagt vor allem jetzt, wo es hier schön und noch schöner warm wird und betörend zu duften beginnt... Ach!!!




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fotografien/texte © grüner atem / sandra dominika sutter