Dienstag, 25. März 2014

Ein Lamm alleine am Strand









Magisches Griechenland!




Das Halten des einen Punktes geht bei angenehmen Temperaturen und Sonnenschein wahrlich wesentlich leichter! Wir verfliessen ineinander, ohne dass ich was tue, WIR SIND einfach. Die nächste Herausforderung wird sein, ich habe es schon erwähnt, diese Einheit zu wahren wenn es denn bald ums Abschiednehmen geht. Meine verbleibende Zeit auf Syros rinnt mir durch die Finger wie Sand und etwas in mir kommt ansatzweise ins flattern... Es ist drum äusserst wichtig, immer alle Seelenanteile mit sich zu nehmen und nichts zurückzulassen, egal ob man eine grosse Reise unternimmt oder nur von zu Hause ins Büro geht.

Hier ist also allerhand viel los, und so bin ich etwas im hinderlig mit berichten. So viel Aktivität bin ich mich von meinen Aufenthalten in Griechenland nicht gewohnt. Aber eben, auf Syros ist alles anders. 
 



 Hauptprobe - Na ja, meistens beginnts eben erst 
mit einer so genannten Höflichkeitsverspätung...

Heute zum Beispiel ist Nationalfeiertag mit Paraden, Marschgang, Uniformen, Fahnen (blau-weiss, sehr schön!) und lauter Musik. Es wird dem 25. März 1821, als die Griechen sich gegen die Herrschaft der Osmanan erhoben, also für Unabhängigkeit aufstanden und kämpften, grosser VolksheldInnen wie Kolokotronis und Laskarina Bouboulina gedacht. Letztere ist einigen von uns auch aus dem Film Alexis Zorbas bekannt. Man kann sich bei solchen Anlässen natürlich sehr wohl fragen, wo denn die heutigen Helden und Heldinnen sind, resp. ob denn in naher oder ferner Zukunft nicht einmal ein anderes Aufstands-Datum gefeiert werden möchte... oder zumindest anders... mit weniger Marschmusik und gestreckten Armen und Schritten... 
Gleichzeitig mit der Unabhängigkeit wird auch Maria Verkündigung, Evangelismos gefeiert. Zudem haben wir schönes Wetter, perfekt für einen Sprung ins Meer und einen Ausflug ins Grüne... Wie nur soll man das alles unter einen Hut bringen, ohne in Atemlosigkeit zu geraten?





 Also wurde flaniert...



...und marschiert...


...von Klein...




 ...und Gross.


Und auch eine Antiquität spazieren geführt: das erste Elektroauto 
Griechenlands war der E8000 und wurde 1974 in Ermoupolis produziert.









Also ich war wieder wandern, mit Silvia; sie und ihr Mann, beides Schweizer, leben schon viele Jahre hier. Sie wandert ab und zu für Imbach*, mit kleinen und auch grösseren Gruppen auf Syros und in der Umgebung. (Naja, wie die Fäden des Lebens so laufen – ich habe meine ersten beiden Griechenlandreisen auch wandernd mit Imbach verbracht. Ich hätte das auch mit Baumeler tun können. Das ist nämlich der andere Schweizer-Wandern-in-der-Welt-Anbieter. Aber eben.) Nun ist es bald wieder soweit, dass eine Gruppe kommt und so lud sie mich ein, einige Wanderrouten mit ihr abzulaufen um rote Punkte zu markieren und weil zu zweit gehen Freude macht. Für mich ist das natürlich wunderbar. Silvia kennt die Wanderwege der Insel bestens und weiss auch dies und das über Syros zu erzählen. 


Tja, und so im Unterwegssein erlebt man gerne das eine oder andere Abenteuer. 





 Ach, was für eine Oase!


Wir waren gleich zweimal zusammen unterwegs. Die erste Wanderung führte uns in den Süden und an einem Gut vorbei, das einmal das schönste auf der ganzen Insel war, wenn nicht sogar das schönste in den Kykladen! Eine Anlage die einem sofort ins Träumen verführt. Umgeben von einer grünen Oase, weit genug vom Strand so dass die Wellen die Mauern auch beim heftigsten Sturm nicht erreichen können, aber so nahe, dass man zu Fuss in ein paar Minuten ins herrliche Meer eintauchen kann. Mir wird beim Anblick vom Verfall überlassenen Häusern immer etwas klamm ums Herz. Und es denkt dann eben allerlei, in ganz verschiedene Richtungen... Silvia meinte, das wäre der ideale Platz für ein Hotel mit Spa, ich dachte auch an Seminarräume, Retreats... die Ideen purzeln einem ins Hirn ohne Anstrengung. Na ja, vielleicht ist es mit den Häusern wie mit den Blumensträussen, die man, wenn sie verwelkt sind auf den Kompost wirft... Ich meine, dies ist nicht das einzige schöne Haus das so vor sich hin bröckelt, es gibt noch viele mehr. Wobei, auch das soll hier gesagt werden, Varja, die schon in den 80-er Jahren hier war meinte, damals hätte es fast nur Ruinen gegeben, „...und dann sind Menschen gekommen und haben restauriert, renoviert, frisch aufgebaut.“ Wer sich angesprochen fühlt: dieses sollte für 10 Millionen zu machen sein! 






 Schön...



 ...oder?



 Ja... war schön! Und ist immer noch.




Küche mit Marmorbecken und direktem Blick aufs Meer.



Das Thema dieser ersten Wanderung war: wie lässt man sich vom Wind nicht davon wehen... Er verlangte von uns, unsere ganzen Gleichgewichtskünste zum Besten zu geben. Er kam böig, mit sibirischer Frische und etwa 8 Bofor. Die Schiffe fahren bei dieser Windstärke normalerweise nicht mehr... Dafür strahlend blauer Himmel. Wir jedenfalls torkelten über die Höhen wie zwei Betrunkene. Um die Aussicht für einen Augenblick zu geniessen (weil länger war zu kalt), setzten wir uns in den Wind und er hielt. Ein tolles Gefühl. Wir wunderten uns, dass die zarten Blümchen nicht fortgerissen wurden und auch die Schmetterlinge sich nicht allzu stark beeindrucken und sich anstelle vom Wind tragen liessen. 






Zufälligerweise fanden wir ein Plätzchen wo wir vom Wind 
geschützt etwas ausruhen und die Aussicht geniessen konnten.



Die zweite Wanderung ging in den Norden, wo die Landschaft nur noch spärlich besiedelt ist. Ebenso eine wunderbare Gegend! Es war ein herrlicher Tag, kein Wind, Sonne, warm... Delos, auch die schwimmende Insel genannt, schwebte geradezu in geheimnissvollem Licht zwischen Wasser und Himmel. Tinos schien 10 Minuten nah zu sein, und man sah sogar bis Ikaria. Ich schickte Grüsse nach Patmos, das etwas weiter südlich liegt und durch Mykonos verdeckt wird. Es war absolut zauberhaft. Was wir nicht alles an Flora entdeckten! Farben, Düfte und eine Atmosphäre die einem so nach und nach in das höchst mögliche der Gefühle und Empfindungen transformiert. Man/frau kann es nicht tun, auch wenn man es wollte oder eben nicht wollte – es wird mit einem gemacht. Man/frau ist da völlig machtlos.




Einen Wanderweg mit Geländer habe ich 
in Griechenland wahrlich selten gesehen. 



 Unsere abenteuerliche Wanderwegfortsetzung ohne Geländer.


Also genossen wir. Wir besuchten ein kleines Kirchlein in Chalandriani, sprachen hier und dort mit einem der wenigen Einwohnern, sammelten wilden Thymian, stiegen langsam zum Strand hinunter. Silvia meinte, sie hätte von Ferne etwas Weisses sich bewegen sehen... Aber der Strand war verlassen als wir ankamen. 
 



Strand. Herrlich - oder?



Stein und Berg. Herrlich, oder?


Wir genossen ein Bad im Meer. Die oberste Schicht bereits von der Sonne angewärmt, und gleich darunter Winterfrische! Wasser-Farben zum Verrücktwerden und, drehte man sich dem Berg zu, einfach nur Staunen ob solch wunderbarer Formation! Reinste Glückseligkeit! Ja. Und dann stand da aus dem Nichts dieses weisse Etwas inmitten schwarzer Felsen am Wasser. Stand da mit hängendem Köpfchen, als wenn es das Wasser betrachtete... Ach, es war innigste Liebe vom ersten Anblick an: ein Lamm! Nur, weit und breit keine Herde. Beide sind wir uns nicht gewohnt im Umgang mit Schafen, also telefonierte Silvia mit einer Freundin die sich damit besser auskennt. Es war klar, dass wir es nicht hier lassen konnten. Also versuchten wir es zu fangen. Und tatsächlich war es ein Leichtes: Silvia konnte es fassen. Allerdings, nicht das leiseste Mäh kam aus seiner Kehle. Wir gaben ihm etwas Wasser, es trank! und machten uns an den Aufstieg. 





 So weit so gut.



Na ja, ein bisschen in Sorge war ich schon. 
Wie lange war es schon ohne Futter? War es krank? 
Wird es überleben? 


Oh, es war schon besonders, dieses flauschig herzallerliebste Geschöpfchen auf meinen Schultern zu haben, sein Köpfchen so nah, ab und zu an meinem Finger leckend und knabbernd... Ich weiss nicht wie mir geschah. Auf wundersame Weise wuchsen mir Flügel und mit der Unterstützung aller guten Geister flogen wir in Windeseile den Berg hinauf! Ich war selbst sehr erstaunt. 






Beide glücklich? Wir haben den Aufstieg 
in Windeseile und Leichtigkeit geschafft.


Man muss wissen, eine Insel hat überall Augen und Ohren, auch wenn man nix davon sieht. Beim ersten Haus sodann stand schon ein Mann vor der Tür, erwartete uns und fragte wohin wir mit dem Lamm wollten. Wir erklärten ihm fliegend weshalb und wieso, aber so leicht liess er uns nicht fortkommen und meinte, wir wollten das Tier stehlen. Er erhitzte sich sofort. Ich spürte plötzlich die stechende Sonne im Gesicht und erinnerte mich meines letzten Elends. Ausserdem hatte ich „mein“ Schäfchen auf den Schultern und das brauchte Futter. Also hatte ich keine Nerven für Diskussionen und ging weiter. Auch das kam beim Mann nicht gut an. Silvia, von Herzen sei ihr gedankt, offenbar geübt im Umgang mit delikaten Sachverhalten, spricht perfekt fliessendes Griechisch, konnte ihn nach langem hin-und her beschwichtigen. Tatsächlich hatte er sich am Ende für sein Verhalten entschuldigt. Eine gute Komponente hatte dieses Treffen alleweil, da Silvia die Telefonnummer des Schäfchenbesitzers in die Hände gedrückt bekam und wir eine konkrete Anlaufstelle hatten.







 Der Bauer mit seinem Lämmchen...



...die neuen Freunde...



Also fuhren wir zu dritt im Auto - Silvia, ich und Schäfchen auf meinem Schoss - zum Bauern, einem etwas gebückten Grossväterchen mit grossen Händen, wettergegerbtem Gesicht und einem warmen Herzen. Er erkannte natürlich sofort, dass es sich beim Lämmchen um ein Böckchen handelte, dass es 3 Tage alt, wahrscheinlich von seiner Mutter verstossen wurde, aber gesund sei. Es bekam warme frische Milch zu trinken, und es trank. Es war ein emotionaler Moment, als es uns nachtrippelte, als wir gingen. 






...und die neue Aussicht vom Hof ins Land und aufs Meer.



Zum Abschluss unserer Wanderung – ich meine, mir würde so ein Drehbuch nicht im Traum einfallen, es mutet direkt ein bisschen kitschig an... kamen wir zufälligerweise zur Kappelle des Heiligen Antonius. „Liebster Heiliger Antonius, wir haben das Verlorengeglaubte durch deine Führung gefunden und heimgebracht, nun schaue du, dass es ihm gut geht!“







Möge es gross werden und leben, und viele Schafe mit seiner Kraft beglücken!






*wer nichts davon wusste, und gern möchte: http://www.imbach.ch/rund-ums-reisen/wanderreisen



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wenn nicht anders vermerkt: fotografien/texte © grüner atem / sandra dominika sutter


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