Dienstag, 8. Juli 2014

Naturgarten - Herzgarten. Für eine Freundin.





Im Naturgarten bei schönem Wetter.




Bei nicht so schönem Wetter - auch noch schön, oder?
Die Wittwenblume, zusammengebunden und nicht so gut 
ersichtlich vorne links, schaffte es heuer auf 1m80!



Eine mir liebe Freundin, die ich allerdings selten sehe, fragte mich kürzlich bei der Begrüssung: "Warum schreibst du eigentlich keine Blogs in der Schweiz? Ich vermisse deine Berichte." Wahrlich ging mir vor nicht langer Zeit, als ich bei der Arbeitspause in den Reben zwischen den Weinblätter hindurch in den Himmel spähte, das gleiche durch den Kopf: Ich könnte doch auch hier tun was ich dort tue.

Wobei, das muss auch gesagt sein obwohl wir es alle wissen, einen gewohnten Blick sich immer wieder neu gebären zu lassen ist nicht so einfach, und schliesslich wohne ich nun schon sieben Jahre und etwas mehr am gleichen Ort (was bemerkenswert ist, da ich vorher im Schnitt alle zwei Jahre umzog), und nenne das hier eine gewohnte Umgebung, auch wenn ich ab und zu in Griechenland bin. Tatsächlich fragte ich mich in letzter Zeit des Öfters, wie lange es wohl in Griechenland dauern würde, bis mein Blick, resp. der Alltag Gewohnheit würde...

Wie dem auch sei: den Wunsch in meinem Ohr und dem Versuch eine Chance gebend schreibe ich...




 Der alte Tisch ganz neu jetzt in weiss, anstelle von rot-blau. 
Extra wegen der Blumen. Die würden sonst nämlich nicht zur Geltung kommen.



Wie man weiss, ich bin wieder in der Schweiz - und dieses Hiersein ist, offen gesagt, aus verschiedenen Gründen nicht ganz einfach. Dass ich Griechenland pauschal vermisse ist klar. Dann aber fehlt mir auch die neue Parea, Menschen, die ich in den drei Monaten dort sehr lieb gewonnen habe. Auch fühle ich mich dort mit meinem eher unkonventionellen Lebensstil aufgehoben, weil viele Menschen auf Grund der Krise auch einfach nur den jeweils nächsten Schritt gehen und sich in Vertrauen üben oder sogar vorbildlich vorausgehen wenn sie sagen "Gott wirds schon richten"... Ausserdem ist Improvisation dort nicht nur ein Wort das in der Musik verwendet, sondern im täglichen Leben immer wieder auf's Neue umgesetzt wird. Auch fühle ich mich in Griechenland von Etwas geführt, dass ich hier nicht so einfach zu finden scheine, obwohl es überall auf der Welt existiert*. Einmal zum Beispiel kam ich im Zentrum von Athen mit einer Frau ins Gespräch - ich war auf der Durchreise vom Kloster auf die Insel. Und eigentlich fragte ich die Frau nach den Wetteraussichten für die nächsten Tage, weil mein Schiff auf Grund des Windes nicht ablegen wollte, und ich meine verfügbare Zeit für die Insel bedroht sah. Wir kamen ins Gespräch, und es stellte sich heraus, dass die Frau meine geliebte Gerondissa und das Kloster von wo ich gerade herkam auch kennt und schon dort war... In diesem Fall, so könnte man sagen, war es der begleitende kösterliche Segen - aber in Griechenland erlebte und erlebe ich zu Hauf solche Begebenheiten. Diese Art "Zu-Fälle" oder dieses Geführt-Sein bringe ich zum grösseren Teil mit der Orthodoxie in Verbindung. Meinen Beobachtungen zur Folge hat das nicht unbedingt etwas mit der Kirche zu tun oder überhaupt mit Tun. ES geschieht einfach. Aber eigentlich wollte ich darüber jetzt nicht schreiben. Eigentlich wollte ich sowieso nicht über Griechenland schreiben.





Auch bei uns: Bielersee mit St.Petersinsel




 Bielersee mit Fischreiher und Berneroberland-Panorama.
Fast wie richtig im Sommer...



Und überhaupt wäre ich eigentlich in der Badi - dort habe ich den Sommer über, also jetzt, nämlich einen Job im Kiosk. Nur, bei diesem Wetter bleibt die Badi zu, weil eh niemand kommt (zum Verständnis meiner ausländischen LeserInnen: ca. zehn Tage Regen mit Temperatursturz auf bis zu 9 Grad! Und wer weiss denn schon, wie's nachher kommt...). Verständlich. Ich ginge ja auch nicht hin. Das Schwierige an dieser Situation ist nur, dass man/frau/ich weiss, dass anderorts tatsächlich Sommer stattfindet. Barfuss laufen, draussen sitzen bis in alle Nacht, die Würze und Wärme des Tages nachkosten, Abendessen vom Feuer, mit offenem Fenster schlafen, Mückengesurre, tagsüber schwitzen vor lauter Hitze, träge werden im Körper und Geist, Wassermelonen, Joghurt, kalte Suppen und Salate, Schatten suchen, Hängematte, Schwimmen, ein Duft von Sonnencrème in der Luft, leichte Kleidung, von kühleren Temperaturen träumen... Nein, ich bin nicht abhängig vom Wetter, aber in gewisser Weise beeinflussbar. Und im Moment scheint mir auch "...ah, die Natur braucht das Wasser!" eine etwas boshafte Floskel. Silvia, auf Syros lebend, wurde von Einheimischen kürzlich gefragt, warum es in der Schweiz so grün ist... Und wer jetzt sagt, "...Aber was denn! Der Sommer war doch bisher wunderbar!", der trägt definitiv ein anderes Begehren von Sommer in sich wie ich. Ich träume von zwei, drei Monaten Sonne und Wärme (ohne Nordwind!), ab und zu ein Gewitter, evt. 2-3 Tagen Dauerregen.
Irgendwie möchte ich immer noch daran glauben, dass man das oder zumindest so ähnlich in der Schweiz auch haben kann...




Mein Ausblick aus dem Kiosk - wenn das Wetter mich lässt...
Ist schon schön, oder? Wenn man die Augen kneift, das gegenüberliegende Ufer 
ausblendet, und sich nur auf die Farben und Spiele des Wassers konzentriert, an bestimmten und
besonderen Tagen... könnte man fast meinen, man/frau sei am Mittelmeer!




Ike, Schweizerin, die 30 Jahre auf Symi lebte (siehe Blog: "Die Eule von Symi" - Teil 1 vom 10. Dezember 2011) und nun wegen der Krise in Griechenland für Arbeit in der Schweiz ist, gestand ich vor einigen Wochen in einem Mail: "Lachtaro tin Ellada - Ich sehne mich nach Griechenland." Die Antwort kam messerscharf zurück: "Wer das Wort "lachtaro" kennt, muss sofort nach Griechenland zurück!" Das gab mir einen Stich ins Herz. Weil, im Moment sieht es gar nicht danach aus, als könnte ich bald schon wieder und einfach so gehen... ausser..., vielleicht... ich würde nun wirklich meine Zelte hier abbrechen und dort ein neues Leben versuchen. Ich dachte schon daran, zum Beispiel letztes Jahr, als das Projekt "joy of life - workshop in experimenteller kunst" konkret wurde und ich für meine 3 Monate auf Syros plante.





Tut ihrem Namen heuer alle Ehre: Ihre Majestät Königskerze - Durchmesser 1m20!





Meine geliebten Karden und Stockrosen.







Heuer ist manches anders: macht ausnahmsweise zwei Ringe. Wie kommt's?






 Deshalb bin ich jetzt nicht in Griechenland.
Mein Fingerhut.



Aber dann entdeckte ich in meinem Garten ca. 20 Fingerhut-Ableger. Fingerhut, hochgiftig, ist eines der besten Herzmittel in der naturheilpraktischen Medizin, und ich deutete die Zeichen für ein grosses Geschenk. Es wuchsen in knapp sieben Jahren bisher ungefähr zwei mal ein Fingerhut, und ich weiss gar nicht, wie er überhaupt in den Garten fand. Auf jeden Fall war klar, dass meine Auswanderung verschoben werden musste, weil ich meinen Garten, sprich den Fingerhut, nicht einem ungewissen Schicksal überlassen wollte... schliesslich hat man/frau auch dem Garten gegenüber eine gewisse Verantwortung. Tja. Nun also sitze ich hier. An manchem Schönen, dass vielversprechend die ersten kleinen Blättchen aus der Erde gestossen hat, taten sich Hunderte von Schnecken gütlich, wenn nicht noch mehr... und liessen, zwar schöne braune, aber halt auch nackte Erde mit hier und da etwas Schleimspur zurück.

Spontanes Aufbegehren meinerseits! Allerdings, Schneckenkörner oder alternative Massenvernichtungsmittel kamen nicht in Frage. Nach dem ich den ersten Schock verdaut hatte, ging ich daran jeden Tag unzählige kleinste schwarze Schnecken und auch grössere, aus dem Garten zu sammeln und sie etwas weiter weg neu anzusiedeln oder besser gesagt auszusetzen. Manch einer flog in hohem Bogen, wenn auch immer mit besten Wünschen zu einem guten Flug UND einer ebensolchen Landung. Bis zu dem Tag, wo mir schlagartig bewusst wurde, dass das eine Vorstufe zum Holocaust ist was ich betreibe. Der Schreck sass! Ich schrieb der lieben Freundin (die auch die Fortsetzung der Blogs wünschte), weil sie erstens eine begnadete Gärtnerin ist und sich zweitens schon länger mit Tierkommunikation beschäftigt. "Ich freue mich, dass die Schnecken in meinem Garten sind." schrieb sie. Ein banaler Satz, der aber seine Botschaft nicht verfehlte, und das traf mich mitten ins Herz. Nur, ob sie auch so viele Schnecken hatte wie ich?




Gartenfreude! Immerhin hat doch manches überlebt!



Stockrosen haben wir von fast schwarzblütig bis hellrosa mit zartgelbem "touch".



Ein neuer Grundsatz: auch Schnecken wollen respektvoll behandelt werden! Auch wenn sie zu Tausenden den Garten überfallen und womöglich gezüchtet aus China importiert sind... Autsch!

Eine Alternative wollte mir nicht einfallen, also üben wir den Dialog auf neuer Ebene, Schnecke und ich. Vieles kam in volle Blüte und Fülle, auf anderes verzichtete ich zu Gunsten der Schnecken. Nun kann man sagen, Blumen sind nicht gleich Gemüse - nur, wenn sie einem so am Herzen sind wie's Gemüse kommts auf's Gleiche raus, oder? Erstaunlicherweise benehmen sich auch die kleinen Schwarzen anständig. Nachbarin bemerkte, "... nun sind alle in meinem Garten!", aber das glaube ich ihr nicht.






Von dieser Schneckensorte war nicht die Rede. Aber ich konnte beim 
besten Willen im Garten nur eine einzige Nacktschnecke in fotografisch unvorteilhafter 
Position finden. Kommt mir seltsam vor, und ich kann mir das nicht erklären. 
Vielleicht ist es die Kälte, die sie sich verkriechen hat lassen...? Ich hoffe! 


Und seit mir die vielen vielen vielen Tausende von leeren, ausgetrockneten Schneckenhäuser im Erinnerungsbild sind die man zu dieser Jahreszeit in Griechenland antrifft - eben im heissen, trockenen, niemals enden wollenden Sommer - betrachte ich die Meinen mit einer liebevollen Zärtlichkeit. Auch jene ohne Haus auf dem Rücken.






Geeignete Sommerlektüre an Regentagen wie heute:
"Heute schon eine Schnecke geküsst?" von Eike Braunroth


*Auf letzte Woche blickend muss ich hierzu korrigierend erwähnen, dass sogenannte Wunder oder wundersame Zu-Fälle in unseren Breitengraden eventuell eine gewisse Entwicklungszeit benötigen, weil eben der Alltag so hektisch und fest strukturiert ist, weil man/frau eventuell und unter Umständen anders fokussiert ist - wohl damit ich sie nicht übersehe, erlebte ich nämlich gleich drei davon! 

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wenn nicht anders vermerkt: fotografien/texte © grüner atem / sandra dominika sutter