Mittwoch, 24. Juni 2015

Gott ist gross und der Singkreis Herrliberg himmlisch!


                                            
Am Sommer

"Am Sommer, und wenn die Tage läng sind 
und alle die Wält tuet da blüehie 
gähni use zue mim Schätzili 
wo die ganzi Wält sich tuet freue.
Jäü ijä jäü ijä jä..."

Schweizer Volkslied
Text und Melodie: Schüpfheim






Erste Wanderung von Ano Syros nach Kini.


Sie kamen und brachten den Sommer! 54 Sänger und Sängerinnen des Singkreises Herrliberg. Der Anlass war das jährliche Chorfestival in Ermoupolis mit verschiedenen Chören von ganz Griechenland, diesmal eben auch international (Herrliberg nähe Zürich, stand zuoberst auf dem Plakat). Zustande kam die Sache, weil der Sohn der Freundin im Chor mitsingt. Geplant war, um den Auftritt herum auch etwas von Syros und Ermoupolis - der Königin der Kykladen - zu zeigen, also zu wandern, zu baden und vor allem auch zu geniessen, also gut zu essen





Mhmm, war lecker!







Zudem erarbeitete die Freundin eine zusätzliche Woche mit einem weiteren Wander/Bade-Tag auf Syros und 4 Tagen Tinos, für jene, die nach dem verlängerten Wochenende nicht sofort ins Büro zurückkehren wollten. Meine Freude dabei war, sie für diese 9 Tage zu unterstützen und zu assistieren. Sie, gewohnt und geübt mit Gruppen von 20 Teilnehmern zu reisen, war einigermassen besorgt ab den 54. Ich meinersteits hatte keine Sorge, denn ich erinnerte mich an meine Assistenz beim DO (3 jähriger Integraler Übungsweg von Annette Kaiser, und da waren wir ähnlich viele) und wusste, dass das Rudel in kürzester Zeit zur Familie wird und DAS "FÄGT". Ein anderer Vorteil bei dieser Grösse und dem kurzen Aufenthalt: man kann nur das Ganze im Blick halten, Details fallen weg - ausserdem: in diesem Fall kannten sich alle Teilnehmer untereinander und mussten sich schon manche Harmonie zusammen erkämpfen. Es sollte also einfach sein.

 


Auch am nächsten Tag wurde aufgegessen!




Die Stunde kam näher...


Die Wetterlage war perfekt und ganz so wie man es sich wünschte.
Die Freundin holte die Gruppe in Athen ab und fuhr mit ihnen übers Meer nach Ermoupolis, wo ich sie empfing. Sie kamen und füllten den Hafen. Die Gruppe war komplett, und das ist eine Leistung wenn man weiss, wie chaotisch es beim Ein- und Aussteigen zu und her gehen kann, aber ein Koffer fehlte, was aus ebengesagten Gründen nicht erstaunt, wenn auch sehr, sehr selten vorkommt, was wiederum zum Staunen ist. Und wie das dann eben bei einer Gruppe ist, in der sich die Leute schon kennen (alle hilfsbereit), fehlten plötzlich die Hälfte der Reiseleitung, zwei Teilnehmer UND der Koffer. Nach einiger Aufregung, denn schliesslich halten die Fähren nur kurze Zeit, und Pünktlichkeit im Fahrplan will eingehalten werden, war der Koffer gefunden, alle wieder an Land und everybody happy. "O Theos ine megalos! - Gott ist gross!" meinte dazu ein Fähren-Mitarbeiter, als er grünes Licht von der Freundin bekam. Ja ja, in Griechenland geschieht noch manches woran man sich wundern kann. Blöd wäre gewesen, wenn erstens der Koffer und zweitens die beiden Teilnehmer mit dem Schiff weiter nach Paros gefahren wären... die Nachbarinsel ist zwar in Sichtweite, aber die Schiffe fahren im Tagestakt. Und schliesslich kamen sie ja um zu singen und nicht um in der Ägäis herum zu reisen. 

Also war alles gut, sie waren da und sie haben gesungen - und wie sie gesungen haben! Auf der ganzen Insel und bei jeder Gelegenheit: in der Karmeliten-Kirche und im Café Apano Chora in Ano Syros, am Strand von Grammata, im Meer!, in sämtlichen Tavernen wo wir gegessen haben - "Eher gehen wir ohne zu bezahlen wie ohne zu singen," meinte der Präsident augenzwinkernd - in der Stadt im Hotel Ermis, in der Agios Nikolaos Kirche,  und selbstverständlich im Apollon Theater - das war der grosse Auftritt. (Sie erschienen sogar im Fernsehn, aber das erfuhren wir erst als wir mit der Verlängerungsgruppe schon auf Tinos waren.)




Und dann war es soweit! Ach, ach war das schön!


 

OH, es war SOOO SCHÖN! Was hat es mir wieder und wieder Hühnerhaut beschert und die Haare aufgestellt, Tränen in die Augen getrieben und Herzklopfen bereitet! Letzteres als es um den grossen Moment der Eröffnung ging. Die Schweizer sollten nämlich als erster Chor singen. Als es mit einer halben Stunde Verspätung endlich soweit war, schliesslich wollten alle Einführungs-Dankes-Reden geredet werden (und die Griechen machen das immer besonders gut), die Sänger/innen an ihrem Platz und bereit standen fehlte der Dirigent. Ein besonderer Augenblick. Sein Name wurde zwei, dreimal aufgerufen, mit griechischem Akzent, vielleicht war das der Grund... Sämtliche Köpfe gingen suchend nach rechts und nach links. Der Reiseleitung/Organisation, den BegleiterInnen und geladenen Gästen sitzend in der zweiten Reihe, stockte verständlicherweise der Atem. Dann fiel ein Zauberwort: "MAESTRO!" tönte es, und siehe da, das half, wenn auch aus unerklärlichen Gründen, denn Schweizer sind ja nicht so, erschien er von irgendwoher zur Erleichterung aller mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Konnte es also beginnen!
Ein spontaner Applaus ging durchs Publikum und das will was heissen, als der Chor zum Abschluss und zur Überraschung aller "Sto Perigiali" von Mikis Theodorakis anstimmte. Oh, was war es feierlich! Und als wäre dem noch nicht genug, hielt der Präsident des Singkreises Herrliberg seine anschliessende Dankesrede auf griechisch, lesend ab Blatt, mit schönem schweizerischen Akzent... Chapeau und Courage! ALLE waren begeistert! Als er bei einem schwierigen Wort zwei Mal darüber stolperte (mir passiert es manchmal, dass ich am Ende eines Wortes nicht mehr weiss wie es begann, so kompliziert können griechische Wörter sein!) und es erst beim dritten Anlauf bis zum Schluss schaffte, antwortete das Publikum mit anerkennendem Beifall! Ja, sooo viel Mühe hatten sich die Schweizer genommen, und das hatte ALLE zutiefst beeindruckt! Schliesslich gab es im Anschluss an die Konzerte - nach Herrliberg kamen noch 3 weitere Chöre - für alle Beteiligten ein offeriertes Nachtessen (im wahrsten Sinne des Wortes um 0.30 Uhr!) und Fest im Saal des Ermis. Selbstverständlich wurden Kontakte geknüpft und zwar mit dem Chor von Kavalla und demjenigen von Thessaloniki. Wir freuen uns schon! 




 Nächtliche Vorspeisen - war yummee!





Ach, es war einfach herrlich, und es war ein voller Erfolg, das Konzert und überhaupt - von Anfang an bis zum Schluss! - soviel Lachen, soviel Freude! Die Reiseleitung/Organisation, der Chor, die Griechen - niemals werden wir das vergessen! 


 


Der Tag danach: 50 Leute in schöner Einerkolonne den 
Trampelpfad hinuter zur Bucht von Grammata.



"Am Sommer" in der Bucht von Grammata -  
die Szene war filmreif! Ach, ach, war das schön!




Picknick am Strand.



"Schönschter Aabestärn o wie gsehn i di so gärn. 
Wenn i di vo witem gseen düechts mi, wenn i scho by der wäär.
Schönschtes Röseliroot chönnti di lieben bis in den Tod,
wäärischt bi mir ir jetzige Stund würd mys chranke Härzeli gsund."

Schweizer Volkslied aus Bern


Und dann reiste die Hälfte des Rudels wieder nach Hause. Die Freundin meinte: "Wieder übersichtlich!" Mir wars etwas "gschmuch", ich vermisste den zweiten Teil der Familie. Aber frau gewöhnte sich daran. Der Vorteil von kleineren Gruppen ist ja, dass man sich gegenseitig etwas besser kennenlernen und auch andere Sachen unternehmen kann, Kloster- und Museumsbesuche zum Beispiel sind mit wenigen viel einfacher. Und das taten wir dann auch. Nach einem gemütlichen letzten Wander-Spazier-Bade-Tag auf Syros fuhren wir mit der Fähre nach Tinos. 




Gesungen wurde weiter - mit dem stellvertretenden Dirigenten.



Und auch weiterhin geschlemmt!




Griechenland ist ein Land der Extreme, der Gegensätze, in dem jegliche Mittelmässigkeit fehlt oder, sollte sich derlei doch einmal einschleichen, sofort etwas dagegen unternommen wird. Das erklärt vieles, und das macht es für uns an Struktur und Sicherheit gewohnte Weltenbürger so reizvoll hier zu sein. Manchmal, frau gibt es zu, vielleicht auch nicht ganz einfach... Man denke ans Licht, zum Beispiel: morgens und abends verwandelt es das Dasein in einen unbeschreiblichen Zauber - mittags allerdings leuchtet es auch den wohlbehütetsten Schatten aus, (oft auch den, den man in sich trägt - oje...), was schwierig auszuhalten sein kann. Ganz zu schweigen von den im Sommer miteinhergehenden hohen Temperatur, oder die Freuchtigkeit und Kälte im Winter. Intensität pur. Der Körper, der Geist muss diese Kontraste verarbeiten, assimilieren können. In Griechenland kann man sich also, allein schon auf Grund des Klimas wenn man so will, aber auch sonst, denn das Klima formt die Menschen, das Leben, in Hingabe und Demut üben, in täglicher Flexibilität. Immer nur gerade Jetzt. Denn, wozu weiter vorausdenken oder gar ernsthaft planen, wenn eh alles wieder anders kommt? 
So geschehen auf Tinos. Man muss nämlich wissen oder es besser noch selbst erlebt haben, dass sich jede Insel von der Nächsten, mag sie noch so nah sein, unterscheidet. Nicht nur in der Topografie, sondern in allem: Kultur, Menschen, Atmosphäre usw.

Die Freundin und ich gingen 2 Wochen bevor die Herrliberger kamen nach Tinos rekognoszieren und vorbereiten, was heisst, Bus organisieren, Tavernen informieren, vorkosten, Menue bestellen, Unterkunft prüfen usw. Immerhin wurden für die Verlängerung noch 27 Teilnehmer erwartet, ein stattliches Grüppchen. Die Reiseleitung kam im Verlauf der Verlängerungswoche zum Schluss, dass sie sich einiges an Energie und Aufwand im Vorfeld hätte sparen können. Die Tinioter sind nämlich wie alle anderen Griechen auch, nicht ganz einfach was Planungen betrifft, aber Meister im improvisieren und können ganz schnell, wenn's denn sein muss. Und vor allem haben sie ein ganz anderes Gefühl für Zeit. "Min anisichis! - Beunruhige dich nicht!" hörten wir sie viele Male sagen... 




Auf Tinos sind manche Punkte blau.



Die Steine von Volax.

 

Essen in Agapi.




Also da waren wir nun auf Tinos mit 27 Herrlibergern und die Geschichte war nämlich die, dass wir nach unserer Ankunft am frühen Nachmittag gleich zur Besichtigung ins Kloster Kechrovouni fuhren und anschliessend nach Volax, einer Gegend mit geheimnissvollen, schönen Steinen. Dort wollten wir ein kleines Meze, eine Vorspeise einnehmen, etwas trinken und dann ins nächste Dorf wandern, Agapi - Liebe genannt. Agapi ist 1 1/2 Stunden von Volax entfernt. Als wir in Volax ankamen stellten wir fest, dass, trotz Besuch vor 2 Wochen, trotz nochmaligem Anruf am Vortag nichts vorbereitet war. Da es sich nicht um eine ganze Mahlzeit handelte, waren Gläser, Käse, Brot, Oliven und Trockenfleisch schnell auf dem Tisch. Nur, so dachte es plötzlich, wäre es vielleicht sinnvoll, in der Taverne von Agapi noch einmal anzufragen, obwohl wir Datum, Zeit, Menue und Anzahl Esser vereinbart hatten? "Ah, warum hast du nicht am Morgen angerufen, damit wir mit den Vorbereitungen beginnen konnten?" war die Antwort der Tavernen-Inhaberin bei unserem Anruf.
Ich weiss nicht, wie sie die Zeit bis zu unserer Ankunft verbrachten, aber das Essen war bereit als wir kamen! Und es war wunderbar! Und Agapi, so wurde es uns gesagt, kam zu seinem Namen, weil es eine Zeit gab, wo man sich gegenseitig in Liebe half, wenn es notwendig war.





Eines meiner wieder entdeckten Talente - 
Service-Unterstützung beim Morgenkaffee in Pyrgos. 
Und offen gesagt: mir taugt diese Art des spontanen Improvisieren-Müssens sehr
es macht den Kopf frei...
  


Manche Wege sind doppelt gepunktet.




Stilleben am Strand - ah, wir haben es sehr genossen!




Und dann wieder essen...







...mit Sicht auf unser schönes Syros!



 Sie mit wehendem Haar, beide mit zielgerichtetem Schritte - 
nur... irgendwie in die falsche Richtung...



Wir passten unser Programm den lokalen Zeitempfindungen an und so ging alles gut. Wir bekamen überall unser Essen und es war pentanostimo - 5xfein! Die Herrliberger haben weiterhin tapfer gesungen, und mit ihren Liedern manch ernstes Gesicht zum Strahlen gebracht! Auch die Freundin lernte mit der Zeit das Repertoire - ich blieb bei der Rolle des internen Publikums. Ja, und dann nahm auch dieses schöne Wunderbar ein Ende und die Zeit kam wieder in einen weltlichen Ryhtmus...





Mit dem Seajet von Tinos nach Rafina - es ging "husch" über die Wellen.


 
„Da erhob sich ein sausender Wind
 in die Segel der Schiffe,
und sie durchliefen in Eile
die Pfade der Fische...“

Homer
 


Tja und dann musste auch ich zurück, leider. Der letzte Teil der Reise war etwas chaotisch - nicht wegen mir. Wegen einem kleinen Brand im Bahnhof Lausanne. Offenbar legte dieser das ganze Westschweizer-Bahnnetz lahm, und ich kam von Genf. Verspätungen, Zugsausfälle... Der Regionalzug nach Twann fuhr, wider aller Versprechungen auch erst zu einer späteren Stunde. Warum und wieso war unergründlich, weil, der fährt ja eh immer nur von Biel bis nach Neuenburg und wieder zurück... Seltsam. Sagt man doch, solcherlei findet nur anderswo statt, in Griechenland zum Beispiel. Aber dort habe ich persönlich sowas nie erlebt.


Übrigens war unser ältester Mit-Wanderer 88 Jahre alt und immer ganz vorne mit dabei - manchmal sogar schneller wie die Reiseleitung!


wer sich interessiert: http://www.singkreis-herrliberg.ch/ 



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wenn nicht anders vermerkt: fotografien/texte © grüner atem / sandra dominika sutter